Montag, 20. Februar 2006

Wochenbericht 011 (13.02.06 bis 19.02.06)

Am Montagnachmittag sollte ja unsere Amazonasfahrt beginnen. Deshalb stand der Vormittag ganz im Zeichen der Vorbereitungen für diese Bootsfahrt. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging ich zusammen mit meinem "temporären" Reisegefährte, Frank, an den Hafen, um ein Ticket für das Schiff "Rocha Neto", welches am Nachmittag um 15:00 in Richtung "Santarém" abfahren sollte, zu kaufen. "Santarém" liegt auf halber Strecke zwischen Manaus und dem Atlantik.

Nachdem wir dieses Ticket gekauft hatten, gingen wir in ein Reisebüro, um ein Flugticket von "Santarém" nach "Belém" zu kaufen. Da fingen dann aber die Probleme mit den Kreditkarten an. Wir mussten schlussendlich die Flugtickets bar bezahlen. Frank war anschliessend ziemlich blank, weshalb wir mit seiner Kreditkarte Geld abheben wollten. Leider funktionierte es bei keinem der fünf verschiedenen Bankautomaten, welche wir bei fünf verschiedenen Banken ausprobierten. Deshalb versuchten wir an einem Schalter mit der Kreditkarte Geld zu beziehen. Bei der ersten Bank, welche wir versuchten, hiess es dann, dass an diesem speziellen Schalter, welchen wir benötigten, pro Tag nur 20 Kunden bedient werden. Häh..., wo gibt`s denn so was....? Weil diese Anzahl an diesem Morgen aber schon überschritten war, mussten wir unvollrichteter Dinge wieder abziehen... :-( Bei der nächsten Bank sah es dann lange Zeit besser aus. Als der Bankangestellte dann aber telefonisch eine Autorisierung bei einem VISA-Center einholen wollte, kam der nächste Hammerschlag: Es gab keinen einzigen Real.

Wir gaben die Versuch, mit Frank's Kreditkarte an Geld zu kommen, auf und gingen noch einmal zum Markt "Feira do Productor". Ich hatte schon lange keinen so faszinierenden Markt mehr wie diesen gesehen, weshalb ein zweites Mal hingehen auf keinen Fall schaden konnte. Unmengen von frischen Fischen, riesige Berge von grauenhaften Fleischstücken, viele exotische Früchte, Gemüse und Gewürzen. Für die Bootsfahrt kaufte ich ein paar Sachen ein: eine Ananas, 15 kleine Bananen und ein paar grosse Karotten. Umgerechnet kostete dies nicht mehr als CHF 2.00... :-) (Bild 1: Gewürzestand beim Markt "Feira do Productor" in "Manaus")

Nachdem wir unser Gepäck aus dem Hotel geholt hatten, gingen wir direkt zu unserem Boot "Rocha Neto" im Hafen von "Manaus". Obwohl wir schon um 12:00 auf dem Boot waren (das Boot sollte erst um 15:00 ablegen), waren die besten Hängemattenplätze schon belegt.

Wir hatten "1. Klasse Hängematten" gebucht. Es hätte ausserdem noch kleine Doppelkabinen und "2. Klasse Hängematten" gegeben. Der Unterschied zwischen den zwei Hängemattenklassen ist, dass man in der der 2. Klasse auf dem Unterdeck untergebracht ist, in der 1. Klasse auf dem Zwischendeck. Wenn man in der 2. Klasse Pech hat, hängt die eigene Hängematte entweder direkt über dem Motor oder über der Ladelucke, was dann bedeutet, dass man bei jedem Zwischenstopp seine Hängematte abhängen muss (egal, ob Tag oder mitten in der Nacht)... :-) (Bild 2: Die letzte Fracht und Passagiere kommen auf's Boot "Rocha Neto")

Wie schon gesagt, die besten Hängemattenplätze waren besetzt. Die besten Plätze in der "1. Klasse Hängematten" auf einem Amazonas-Boot sind erstens möglichst weit von den "sanitären Anlagen" entfernt, und zweitens sind sie nach vorne möglichst Wind geschützt. Nachdem ich ein bisschen meine Ellenbogen eingesetzt hatte (ich bin darin unterdessen ziemlich geübt), konnten wir unsere Hängematten an einem halbwegs vernünftigen Ort aufhängen. Danach war Warten angesagt, bis das Boot dann mit einstündiger Verspätung um 16:00 den Hafen verliess.

Unterdessen hatte sich das Schiff aber weiter mit Fracht und Passagieren gefüllt. Jeder irgendwie verfügbare Raum auf unserem Deck wurde mit Hängematten behängt. Längs, quer, diagonal, überhängend. Egal, Hauptsache die Hängematte hing irgendwie. Meine Hängematte hing zwischen Frank und einer halbwegs jungen Brasilianerin. Ich hatte ca. eine Hüftbreite plus auf beiden Seiten jeweils ca. weitere 5 cm Platz. Sobald die Hängematten ein bisschen ins Schwingen gerieten, stiess man natürlich beim Nachbarn an... (Bild 3: Hängematten-Chaos auf dem Zwischendeck)

Zuerst hatte ich meinen Kopf auf der Reling-Seite, so dass mein Blickfeld in Richtung Schiffsmitte gerichtet war. Als ich mich so umschaute, sah ich rechts schräg vis-à-vis eine alte Frau, welche mit ihrem Gebiss herumspielte, links schräg vis-à-vis konnte ich mich an einem fetten, zur Schau gestellten Frauenbauch ergötzen, und rechts oberhalb von mir blickte ich direkt auf ein paar alte, ungepflegte mit und Wunden übersähte Füsse. Da hat es mich gerade kurz geschauert, und ich habe mich schnell umgedreht, so dass mein Blickfeld in Richtung Ufer gerichtet war.

Die Fahrt dauerte gerade mal zehn Minuten, als wir bei einem anderen Hafen wieder anlegten. Dort wurden zuerst einmal Unmengen von leeren Wasserkanistern entladen, und anschliessend volle wieder eingeladen. Als dies dann nach 45 Minuten auch erledigt war, konnte die Fahrt dann richtig losgehen. (Bild 4: Entladen von leeren Wasserkanistern auf brasilianische Art)

Nach einer halben Stunde erreichten wir die Stelle, bei welcher sich der "Rio Negro", auf welchem wir fuhren, mit dem "Rio Solimões" vermischt. Ersterer hat schwarzes Wasser, zweiterer braunes, lehmiges Wasser. Das sah dann etwa so aus, als würde man ganz langsam Milch in einen Kaffee giessen. Faszierend... Ab diesem Punkt wird der Fluss übrigens offiziell "Rio Amazonas" genannt. (Bild 5: Vermischung von "Rio Negro" und "Rio Solimões")

Um 18:00 lief dann ein Matrose mit einer Trillerpfeiffe durch das Deck. Wir fanden dann heraus, dass dies dass Zeichen für das Nachtessen war. Wir mussten zum Unterdeck heruntergehen. Dort sahen wir dann an der linken und rechten Reling zwei Tische stehen. Da einer der Tische frei war, setzten wir uns einfach hin. Wir wurden dann von einem Matrosen relativ unwirsch darauf hingewiesen, dass wir uns gefällig in der Reihe, welche etwas entfernt von den Tischen stand, anzustellen hätten. Als der Matrose den Tisch von den Speiseresten der Vorgänger gereinigt hatte, durften dann die nächsten acht Personen Platz nehmen. Der Matrose brachte dann einen Topf voll mit einer undefinierbaren Brühe (wahrscheinlich war es eine Suppe). Als sich alle am Tisch den Teller vollgeschöpft hatten, wurde der Topf sofort wieder weggetragen. Die Leute begann dann das Zeugs mit den übelsten Tischmanieren reinzuschaufeln, als hätten sie seit Tagen nichts mehr gegessen. Da wir immer noch in der Reihe standen, konnten wir das Prozedere in Ruhe beobachten. Da mich das Essen nicht gerade anmachte, bedankte ich mich herzlich und verabschiedete mich in Richtung Hängematte, wo ich mich über eine Rolle mitgebrachte, feine Schokoladenkekse hermachte... ;-)

Abends gönnten wir uns auf dem Oberdeck noch ein paar Bierchen und hatten eine wunderschöne Aussicht auf den Vollmond, welcher einen riesigen Lichtstreifen auf den Amazonas zauberte. Um 22:00 legten wir uns dann in unsere eingeengten Hängematten. Erstaunlicherweise konnte ich schlafen. Ich wachte nur ein paar Mal auf, z.B. als mir meine schaukelnde Nachbarin ihren Ellenbogen unabsichtlich in meine Rippen schlug, oder als ein rücksichtsloser WC-Gänger an meiner Hängematte rüttelte, oder bei ähnlichen Vor- kommnissen... ;-) (Bild 6: Vollmond über dem Amazonas)

Am nächsten Morgen wurden wir dann schon um 06:00 von der Trillerpfeiffe geweckt. Es war Zeit für das Frühstück. Es gab Brot, Butter und Kaffee, welcher schon nach Gutdünken des Koches mit Milch und Zucker gemischt war. Über den Rest des Tages gibt es nicht mehr all zu viel zu erzählen. Wir lagen die meiste Zeit in den Hängematten. Zum Mittagessen gab es Reis, Spaghetti, Bohnen, Poulet und eine Art Tomatensalat. Das war dann ziemlich geniessbar. (Bild 7: Mittagessen auf einem Amazonas-Boot)

Das Highlight des Tages war der Zwischenhalt in "Parintins". Kaum hatten wir angelegt, stürmten junge Verkäufer von allerlei Dingen das Schiff. Das gab dann ein ziemliches Durcheinander. Es verliessen auch ziemlich viele Passagiere das Schiff. Erstaunlicherweise gab es aber keine neuen, so dass wir unsere Hängematten ein bisschen weiter auseinander hängen konnten. Zu erwähnen bleibt vielleicht auch noch mein erster und letzter Gebrauch der "sanitären Anlagen" (WC, Dousche). Ich habe definitiv schon angenehmere Sachen erlebt... ;-) (Bild 8: Zwischendeck auf einem anderen Amazonas-Boot im Hafen von "Parintins")

Es sollte sich dann in der Nacht zeigen, dass mehr Platz für die Hängematte nicht unbedingt besser ist. In der Nacht zog ein Unwetter auf, was dann auch ziemlichen Wellengang verursachte. Wir wurden in unseren Hängematten so richtig durchgeschaukelt. Diejenigen, welche immer noch eng bei einander hingen, schaukelten nicht wie wahnsinnig hin und her. Naja, man lernt halt nie aus... ;-) Auf jeden Fall kamen wir am nächsten Morgen um 04:00 mit fünfstündiger Verspätung in "Santarém" an. Zum guten Glück war "Santarém" die Endstation für unser Boot, so dass wir im ruhigen Hafen doch noch zu zwei Stunden Schlaf in unseren Hängematten kamen.

Um 07:00 verliessen wir dann das Boot und fuhren mit dem Bus direkt nach "Alter do Chão", einem kleinen Örtchen, welches am "Rio Tapajós" am Eingang zum "Lago Verde" liegt. Dort verbrachten wir zwei Nächte. Der Ort und seine Umgebung ist bekannt für seine weissen Strände. Ja, du hast richtig gelesen. Inmitten des Amazonasgebietes gibt es weisse Sandstrände. Da im Februar der Wasserstand der Flüsse aber relativ hoch ist, sind die Strände zu dieser Jahreszeit teilweise relativ klein. Es hatte sehr wengie Touristen. Die einzigen, die wir kennenlernten, waren zwei Ostdeutsche. So kam es, dass ich eines Abends mit drei Osis inmitten des Amazonasgebietes ein Bierchen trank... ;-) (Bild 9 und 10: "Ihla do Amor" bei "Alter do Chão")

Einen halben Tag nachdem wir das Schiff verlassen hatten, spürten wir beide die Nachwirkungen unserer Schifffahrt. Wir fühlten uns während dem Gehen, als hätten wir mehrere Portionen Drogen eingeworfen. Alles schien irgendwie zu schwanken. Wahrscheinlich die Nachwirkungen der ewigen Schaukelei in der Hängematte, welche dann noch mehrere Tage anhalten sollte... :-(

Wir hatten unterdessen auch herausgefunden, weshalb die Kreditkarte von Frank in Manaus nicht mehr funktioniert hatte. Wahrscheinlich wurde die Informationen der Kreditkarte im Grenzgebiet zwischen Venezuela und Brasilien von einem "schwarzen Automaten" gestohlen. So konnte jemand für € 4'000 einen ziemlichen Schaden auf der Karte von Frank anrichten. Die Bezüge wurden übrigens in Venezuela getätigt. Typisch Venezuelaner: nichts arbeiten, aber kräftig abkassieren... :-(

Das Wetter in der Mitte des Amazonas war etwa so, wie man sich das Wetter in der Regenzeit im Amazonasgebiet vorstellt. Heiss und feucht, wenn es nicht regnete; nass, wenn es regnete... ;-) Wir hatten in "Alter do Chão" einen halben Tag bewölktes Wetter, zwei halbe Tage Regen und einen halben Tag Sonnenschein.

Am Freitag reisten wir mit dem Flugzeug nach "Belém" weiter. Es war ziemlich faszinierend, das Amazonasgebiet mit dem Regenwald und der unendlichen Anzahl von Flussverläufen aus der Vogelperspektive zu sehen. Leider war es aber ziemlich bewölkt, so dass wir die Schönheit dieser Sicht nur gelegentlich zu Gesicht bekamen. (Bild 11: Amazonasgebiet aus der Vogelperspektive)

"Belém" ist diejenige Grossstadt, in welcher weltweit pro Jahr am meisten Regen nieder geht. Nicht desto trotz hatten wir mehr oder weniger Glück mit dem Wetter, denn es regnete während unseres 1.5-tägigen Aufenthaltes nur jeweils ganz kurz. Nach drei Wochen unterwegs in der venezuelanischen Pampa, in Provinzstädtchen, im Regenwald und auf dem Amazonas war der Anblick, welcher sich uns bezüglich Frauen in "Belém" bot, nicht von der übelsten Sorte. So wie auf dem Bild liefen die Frauen aber leider nicht herum... ;-) (Bild 12: Verkauf von Damenunterwäsche in den Strassen von Belém)

Obwohl wir nur kurz in Belém waren, sah ich relativ viel von dieser Stadt. Hafen, faszinierender Markt (Ver-o-Peso), Altstadt (Cidade Velho), Zentrum, botanischer Garten, etc. Im Verlaufe des Tages wurde ich in der Strasse von einem Deutschen angesprochen. Er wurde angeblich von einem Taxifahrer zu früher Morgenstunde um sein ganzes Gepäck beraubt, so dass er nur noch gerade sein Shirt, seine Shorts und seine Flip-Flops übrig hatte. Er sah so aufgelöst aus, dass ich ihm die Story glaubte, und ihm etwas Geld für die Flughafengebühr für den Rückflug gab. Er versprach hoch und heillig, das Geld zurück zu bezahlen. Da bin ich ja mal gespannt... ;-) (Bild 13: Basilica de NS de Nazaré)

Am Samstagabend stand dann die nächste Nachtbusfahrt nach "São Luis" auf dem Programm. Nach drei Stunden angenehmer Busfahrt erreichten wir eine "Strasse", die schlechter nicht hätte sein können. An Schlafen war für diese Nacht leider fast nicht mehr zu denken. Am nächsten Morgen zeigte sich dann aber die Schönheit der landwirtschaftlich genutzten Tropen-Gegend, durch welche wir fuhren. Anstatt um 07:00 kamen wir um 10:30 in "São Luis" an. (Bild 14: Schlechte Strassen in Richtung "São Luis")

In "São Luis", eine portugisische Kolonialstadt, verbrachten wir einen gemütlichen Sonntag. Wir mussten ein bisschen Energie tanken, denn am Montag steht eine 30-stündige Busfahrt nach "Natal" an. Nächste Woche werde ich noch viele Stunden im Bus sitzen. Dafür werde ich dann aber hoffentlich mit einem tollen Carneval in "Salvador" belohnt. It's Partytime... ;-) Bin schon extrem auf diesen Riesenanlass gespannt. Dazu aber natürlich mehr im nächsten Wochenbericht... (Bild 15: Kinder in "São Luis", die unbedingt fotografiert werden wollten)

Zwei Anmerkungen zu Nordbrasilien:

  • Mücken Als ich letzten September im Basler Tropeninstitut bei der Impfberatung erklärte, dass ich von Venezuela aus durch das Amazonasgebiet in Richtung Atlantik reisen wollte, schlugen die dort fast die Hände über dem Kopf zusammen. Das wäre eines der gefährlichsten Malariagebiete der Welt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich mir wirklich nichts aufgelesen habe, denn die Inkubationszeit von Malaria oder Dengue kann manchmal relativ lange sein. Aber mich haben in neun Tagen im Amazonasgebiet ganze fünf Mücken gestochen. Wenn man ausserdem die Einheimischen über die Malariagefahr anspricht, wissen die manchmal nicht mal richtig, wie man Malaria schreibt.
  • Armut Das nördliche Brasilien hat grosse Probleme mit Arbeitslosigkeit und Armut. Das Wohlstandsgefälle zwischen Reich und Arm wird einem hier ziemlich deutlich vor Augen geführt. Auf der einen Seite einer Strasse eine Luxus-Boutique mit davor geparkten Luxuskarossen, auf der anderen Strasseseite eine Frau, welche ausser mit einem zerrissenen T-Shirt und Flip-Flop mit absolut gar nichts bekleidet ist.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Andy
Ich musste laut lachen über den Abschnitt im Bericht, wo du über deinen Ausblick aus der Hängematte berichtest! Ich kann mir genau vorstellen, wie es dich geschaudert hat und ich hab sogar das Geräusch gehört, das du von dir gegeben hast! Ich kenn dich doch! MOM