Dienstag, 18. April 2006

Wochenbericht 019 (11.04.06 bis 16.04.06)

Nach den anstrengenden Ausflügen der vergangenen drei Tage war am Dienstag wieder einmal ein Ruhetag angesagt. Ich hatte mir zu meinem grossen Erstaunen von den steilen Aufstiegen einen kräftigen Muskelkater in den Oberschenkeln geholt... :-( Ausserdem musste die Ausrüstung wieder einmal ein bisschen gepflegt werden. Ich liess wieder einmal für umgerechnet CHF 4.10 meine gesamte Wäsche inkl. verschwitztem Rucksack, Bauchgurt und Portmonnaie waschen. Auch meine Trekking-Schuhe bedurften einer Sonderbehandlung. Auf der Trekking-Tour war jeweils an der gleichen Stelle bei beiden Schuhe eine Naht gerissen. Nachdem ich schon beim letzten Paar "LOWA-Trekking-Schuhe" ein Problem mit einer Schweissnaht der Gummisohle hatte, werde ich mir nun gut überlegen, ob ich mir noch einmal ein Paar der "so hoch gelobten" LOWA-Schuhe zutun werde. Wie auch immer, der alte Schuhmacher um die Ecke des Hostels nähte die Nähte für umgerechnet CHF 2.05 von Hand innerhalb von zwei Stunden in einwandfreier Qualität wieder zusammen. Das nenn ich Service...

Von 12:00 bis 22:00 sass ich dann in einem Internet-Café. Zum einen musste ja der "Wochenbericht 018" veröffentlicht werden, zum anderen konnte ich aber endlich einmal die von mir gewünschte "Andy´s Traveling Route" programmieren, was für mich als "Nicht-Techi" nicht ganz einfach war. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich wieder in einem Büro am arbeiten. Zehn Stunden in die Röhre schauen und so... ;-) Auf jeden Fall funktioniert das coole Teil jetzt. Jetzt muss es nur noch mit den Daten meiner Reiseroute gefüttert werden. Das ist wahrscheinlich fast der mühsamere Teil, bis ich alle "Geocodes" und sonstige Informationen zusammen getragen habe. Aber, das wird in den nächsten Wochen auch erledigt sein.

Raphael und ich hatten während unseren drei Ausflugstagen vom Samstag bis Montag extremes Wetterglück gehabt. Drei Tage lang Sonnenschein. Am Dienstag hatte es dann den ganzen Tag geregnet, und auch der Mittwoch sollte nicht viel besser werden.

Am Mittwoch machte ich mich mit Raphael auf den Weg, um Argentinen in Richtung "Pucón" in Chile zu verlassen. Wir nahmen einen Bus, welcher uns bei "Cardenal Antonio Samoré" über die Grenze in Richtung "Osorno" bringen sollte. Ich hatte ja unterdessen die argentinische Grenze mehrfach überquert, aber die Grenzformalitäten funktionierten jedes Mal anders. Dieses Mal mussten sich alle Passagiere in einem ungeordneten Halbkreis vor dem Kontrollschalter aufstellen, um den Austrittsstempel im Pass zu erhalten. Der Grenzbeamte streckte dann jeweils seinen Kopf aus seinem Kontrollschalter heraus und rief in alphabetischer Reihenfolge die Namen der Buspassagiere auf, welche ihren Pass hinhalten gehen durften. Einmal schaute er wieder aus seinem Kontrollschalter heraus, sagte aber kein Wort. Er schaute nur die Menge an, zeigte dann mit dem Zeigefinger auf einen der wartenden Buspassagiere und winkte ihn heran. Es war der einzige Koreaner in der Menge gewesen... ;-) Das gleiche Spiel wurde dann auf der chilenischen Seite noch einmal wiederholt. Ausser, dass das ganze Prozedere wieder einmal ewig dauerte, war der Grenzübertritt aber problemlos.

Schon bald danach standen wir dann am Bus-Terminal von "Osorno", wo wir die chilenische Freundlichkeit gerade mal so richtig zu spüren bekamen. Die nagelfeilende Frau am Busticket-Schalter fühlte sich sichtlich bei ihrer wichtigen Tätigkeit gestört, als wir bei ihr ein Weitterreise-Ticket nach "Pucón" kaufen wollten, und liess uns dies auch gerne spüren.

Ich muss fast schon sagen, dass wir "leider" beim Grenzübergang nicht wie sonst in Lateinamerika üblich von "Money Changers" bestürmt wurden. So standen wir am Ticketschalter bei der nagelfeilenden Schachtel ohne einen einzigen chilenischen Peso in der Tasche. Und mit unsere argentinieschen Pesos kamen wir bei ihr auch nicht weiter. Naja, halb so schlimm, es gibt ja zum guten Glück Kreditkarten. Ein wenig schlimmer hingegen war die Tatsache, dass wir, weil der Bus schon zehn Minuten später losfuhr, keine Zeit hatten, um einen Bankautomaten für den Cash-Bezug zu suchen. Somit mussten wir uns mit leeren Portmonnaies, leeren Mägen und leeren Getränkeflaschen auf die fünfstündige Fahrt nach "Pucón" machen. Schlechte Organisation oder einfach Backpacker-Pech. Naja, wie man's nimmt, der Figur hat's wahrscheinlich nicht geschadet... ;-) Trotz knurrendem Magen und bewölktem Wetter war die Fahrt durch das Tiefland von Chile sehr interessant. Eine ganz andere Landschaft und v.a. auch Bauweise der Häuser (Holzhäuser) als in Argentinien. (Bild 1: Typisches Holzhaus im südlichen Chile in Pucón)

"Pucón" ist ein 20'000 Seelen Städtchen im "Lake District" von Chile, welches hauptsächlich vom Tourismus lebt. Hauptattraktion ist der Vulkan "Villarica", sowie Trekking- und Rafting-Aktivitäten und heisse Thermalquellen. Nachdem wir uns in Hostel "¡école!" einquartiert hatten, klapperten wir die unzählbaren Tour-Agenturen ab, bis wir eine fanden, welche uns für die Tour auf den "Villarica" am meisten zusagte. Das Hungerphänomen bekämpfte ich dann anschliessend in einem vegetarischen Restaurant mit einem "Thai Curry". Naja, nach Curry hat es zwar geschmeckt, allerdings "Thai" war es nicht wirklich. Aber gemundet hat es trotzdem... ;-) (Bild 2: Sicht auf Vulkan Villarica aus dem Städtchen Pucón)

Am Freitag mussten wir um 07:00 bei der Tour-Agentur sein, wo wir unsere Ausrüstung fassen konnten. Wir bekamen Jacke, Überhose, Handschuhe, Kappe, Bergschuhe, Steigeisen, Eispickel und einen kleinen Rucksack. Danach fuhren wir mit einem Minibus bis zur Basisstation. Von dort hiess es dann laufen. Die erste Hälfte des Weges bis zum Krater des Vulkans (2840 M.ü.M.) führte durch loses Lavagestein. Dann erreichten wir die Schneegrenze, und wir mussten unsere Steigeisen montieren, um den Rest des Weges über die steilen Schnee- und Eisflächen zurücklegen zu können. (Bild 3: Absturzgefahr!? auf den Schneeflächen des Vulkan Villarica)

Das Wetterglück, welches wir hatten, kann man in etwa mit 80% beziffern. Obwohl es zu Beginn der Tour nur dicken Nebel hatte, wurde das Wetter immer besser, so dass wir dann die meiste Zeit freie Sicht auf den Vulkan hatten. Wie so üblich bei einem noch mehr oder weniger aktiven Vulkan, zogen übelriechende Rauchschwaden über den Kraterrand, welche so einigen Lungen leicht zu schaffen machte. Lava sahen wir leider keine, weil der Vulkanrauch zu dicht war.

Der Abstieg war um einiges leichter, als der Aufstieg. Geschützt durch unsere ausgeliehenen Überhosen rutschten wir auf unseren Allerwertesten teilweise auf den Eisflächen und teilweise von auf von den Guides ausgearbeiteten "Rutschbahnen" den Vulkan hinunter. Das hat wirklich Spass gemacht. Zum guten Glück hatten wir einen Eispickel dabei, so dass wir jeweils noch rechtzeitig bremsen konnten... ;-) (Bild 4: Abstieg vom Vulkan Villarica auf dem Allerwertesten)

Am Freitag fuhr unser Bus nach "Santiago" erst um 21:00. Deshalb hatten wir genügend Zeit, um uns einen gemütlichen Tag zu machen. Ich hatte auch genügend Zeit die oben schon erwähnte "Andy's Traveling Route" fertigzustellen.

Am Samstag kamen wir dann um 06:30 in "Santiago de Chile" an. Leider war das Hostel "La Casa Roja" ausgebucht, und wir mussten bis zur Checkout-Time mit dem Zimmerbezug warten. Die Zwischenzeit nutzte ich, um einen ersten Stadtrundgang zu machen. Nach 2 1/2 Stunden hatte ich allerdings schon 80% der Sehenswürdigkeiten von "Santiago" gesehen. Nachdem ich dann im Hostel mein Zimmer bezogen hatte, machte ich mich auf, um im "Hipódromo Chile" eine Pferderennen zu besuchen. Auf der Busfahrt wurden wir dann von der Polizei angehalten. Zum guten Glück waren es dieses Mal nicht die Passagiere, welche kontrolliert wurden, sondern der Busfahrer... ;-) Er musste seine Busfahrerlizenz zeigen. Das wäre für andere südamerikanische Länder ein gutes Vorbild. Vielleicht würde dann nicht jeder Depp wie ein Henker mit seinem Bus durch die Landschaft brausen. Zurück zu den Pferderennen. Naja, Pferderennen werde ich in nächster Zeit nicht so schnell wieder besuchen. Es hat mich betreffend Spanung nicht gerade vom Hocker gehauen. Aber es war um so interessanter den Leuten beim Studieren des Rennprogrammes und beim Setzen von Wetten zuzuschauen. (Bild 5: Alt und modern beim Plaza de Armas in Santiago de Chile / Bild 6: Pferderennen im Hipódromo Chile)

Gegen Abend machte ich noch einen Spaziergang durch die Fussgängerzone von "Santiago". U.a. schaute ich einer Gruppe von jungen Tänzern zu, welche eine traditionelle Tanzart ("Cueca") von Chile vorführten. Als sie eine kurze Pause einlegten, kam ich mit ihnen ein wenig ins Gespräch. Ehe ich mich versah, stand ich dann plötzlich inmitten von einem grossen Kreis von Passanten, und sollte mit einer der jungen Damen diesen chilenischen Tanz tanzen. Naja, ich kann nur sagen, dass sich die Passanten und meine Tanzpartnerin köstlich amüsiert haben... ;-) (Bild 7: Cueca-Tänzer in Santiago de Chile)

Das Nachtessen kochte ich mir an diesem Abend wieder einmal selber. Dazu gab es für CHF 2.50 einen herrlichen, chilenischen Merlot. Leider so ziemlich das einzige, was im teuren Chile wirklich billig ist.

Am Sonntag stand ein bisschen Hügelbesichtigung auf dem Programm. "Santiago" hat zwei bekannte Aussichtspunkte zu bieten: "Cerro San Cristóbal" und "Cerro Santa Lucía". Zur Spitze des ersten gelangt man mit einem "Cable-Car (Funicular)", wo einem eine grosse, weisse "Jungfrau Maria"-Statue erwartet. Dieser Heiligenort war natürlich am Ostersonntag sehr gut besucht. Besser hat mir allerdings der "Cerro Santa Lucía" gefallen. Durch diesen kleinen Hügel im Herzen der Stadt führen unzählige kleine Wege von einer Terasse bzw. Grünanlage zur anderen. (Bild 8: Smog-versperrte Aussicht auf Santiago vom Cerro San Cristóbal)

Am Montag werde ich "Santiago" schon wieder in Richtung "Valparaíso" verlassen. Mir wird "Santiago" als die ruhigste Millionenstadt (ca. 6 Mio. Einwohner), welche ich bis anhin gesehen habe, in Erinnerung bleiben. Aber wahrscheinlich hängt dieses Phänomen damit zusammen, dass ich "Santiago" am Ostersamstag und -sonntag besucht habe. Ansonsten muss zu "Santiago" noch gesagt werden, dass die Lage dieser Millionen-Stadt ziemlich einmalig ist. Hat man einmal eine halbwegs Smog-freie Sicht, sieht man rund um die Stadt nur Berge. V.a. eindrücklich ist die Sicht gegen Osten, wo sich die hohen, schneebedeckten Andenspitzen erheben. (Bild 9: Smog-versperrte Aussicht auf die Anden vom Cerro Santa Lucía)