Freitag, 14. Juli 2006

Wochenbericht 031 (03.07.06 bis 09.07.06)

Wie ich ja schon im letzten Wochenbericht geschrieben hatte, konnte ich wegen der südamerikanischen Unfähigkeit, Touristen mit korrekte Informationen zu versehen, meine fünftägige Dschungel-Tour zur "Ciudad Perdida" nicht schon am Montag starten. Ich hatte deshalb wieder einmal einen Tag für das süsse Nichtstun. Und bei 39° im Schatten wäre es auch nicht die beste Idee gewesen, viel anderes zu tun, als Eis zu essen und am Fest "Fiesta del Mar" ein paar kühlende "Aguilas" hinter die Binden zu giessen. Abends war wieder Ausgang mit Tatiana angesagt. (Bild 1: Ausgang mit Tatiana)

Am Dienstag startete dann die Tour zur "Ciudad Perdida". Ursprünglich sollten wir um 09:00 abgeholt werden. Tatsächlich ging es dann erst um 11:00 los. Extreme Unpünktlichkeit ist in "Kolumbien" leider gleich häufig anzutreffen, wie schöne Frauen. "Ciudad Perdida" ist eine Dschungelstadt der "Tayrona"-Indianer, welche ca. 200 Jahre vor der spanischen Inquisition errichtet wurde. Wegen der abgelegenen Lage im dichten Dschungelgebirge der "Sierra Nevada de Santa Marta" hatten die Spanier die Stadt allerdings nie entdeckt. Die "Tayrona"-Indianer mussten die Stadt aber trotzdem aufgeben, weil ihnen durch die Anwesenheit der Spanier der Zugang zu wichtigen Nährstoffen (wie z.B. Salz, Meeresfrüchte, etc.) versperrt wurde. Die Stadt wurde erst im Jahr 1973 von Grabräubern entdeckt. Da sich die Gräber der "Tayrona"-Indianer jeweils unter den Wohnhäusern befanden, hatten die Grabräuber auf der Suche nach den reichlich vorhandenen, goldigen Grabbeigaben einen Grossteil der Bauten zerstört. Erst als sie ihr "Werk" vollendet hatten, meldeten sie die Stätte der Regierung, welche dann noch einmal bis 1976 zuwartete, bis sie der Weltöffentlichkeit von dieser einmaligen archäologischen Fundstätte berichtete. (Bild 2: Sierra Nevada de Santa Marta kurz vor einem Regenschauer / Bild 3: Fluss im Dschungel der Sierra Nevada)

Wie schon gesagt, liegt "Ciudad Perdida" (1'200 M.ü.M.) im tiefsten Dschungelgebiet (tropischer Nebelwald), und ist nur durch einen dreitägigen Fussmarsch zu erreichen. Der Rückweg wird normalerweise ebenfalls in drei Tagen zurückgelegt, kann aber auch in zwei Tagen absolviert werden. Ich hatte mich für die kürzere Variante entschieden, um noch ein bisschen Zeit für den den Strand zu haben. Wie auch immer, wir fuhren um 11:00 mit zwei Jeeps los, um ins Dschungel-Dörfchen "Comunidad de Manchete" zu gelangen, von wo unser Fussmarsch starten sollte. Auf dem Weg dorthin mussten die Jeeps einen Bach durchqueren. Aus einem mir nicht bekannten Grund hielt unser Jeep mitten im Bach kurz an. Der Jeep-Fahrer hinter uns konnte natürlich nicht kurz warten, und überholte uns im Bach. Er blieb dann allerdings im Schlamm stecken. Was dann die folgende Stunde passierte, war wieder einmal ein Trauerspiel lateinamerikanischer Intelligenz und Effizienz. Der fette Fahrer des stecken gebliebenen Jeeps gab zuerst einmal Vollgas, nur um sich natürlich noch tiefer in den Schlamm einzugraben. Überhaupt nicht einsehend, dass er ein Superidiot war, und dass der Schlamassel sein Fehler war, blieb er in seinen Jeep sitzen, und fing zuerst an, die Tour-Guides herumzukommandieren, was sie zu tun hätten, um den Jeep wieder frei zu bekommen. Zuerst spannten sie ein dünnes Seilchen zwischen die zwei Jeeps, um den stecken gebliebenen Jeep herauszuziehen. Wie natürlich nicht anders zu erwarten war, riss das Seil schon beim ersten Versuch. Danach durften dann die Touristen zugreifen, indem sie mit blossen Händen den Schlamm um die Räder wegschaufelten und danach den Jeep aus der mieslichen Lage schoben. Der fette, dumme Fahrer hatte sich während der ganzen Zeit nicht einen Milimeter von seinem Fahrersitz bewegt, und ausser das Gaspedal zu betätigen keinen Finger gerührt. Auch ein Danke oder dergleichen hielt er für unnötig.

Naja, irgendwann kamen wir dann trotzdem noch in dem Dörfchen "Manchete" an. Der Fussmarsch zum ersten "Camp" führte noch nicht durch all zu dichtes Dschungelgebiet. Trotzdem bekamen wir schon den ersten Eindruck, was uns in den nächsten Tagen erwarten würde. Mosquitos, Regenschauer jeden Nachmittag und Hitze gemischt mit extrem hoher Luftfeuchtigkeit. Am späteren Nachmittag kamen wir dann im ersten Camp an. Nach dem Nachtessen gingen wir schon relativ früh schlafen. Als ich in meine Hängematte legen wollte, hatte sich darin allerdings schon ein Amerikaner breit gemacht. Offensichtlich hatte ihm meine Hängematte besser gefallen, als die seine. Naja, mir war's egal. Nachts um 04:00 wurde ich dann von einem Knall und einem lauten "Fuck" aufgeweckt. Der Amerikaner und ein englisches Pärchen rieben sich ihre Steissbeine, da die Bambusstange, an welcher ihre Hängematten gehangen waren, durchgebrochen war. Ob der Bruch wegen dem Alter der Bambusstange oder der daranhängenden Engländerin auftrat, sei dahingestellt. Auf jeden Fall geschah es zumindest dem Amerikaner ganz recht... ;-)

Am zweiten Tag der "Cuidad Perdida"-Tour marschierten wir zum zweiten Camp. Auf dem Weg zu diesem Camp hatten wir noch die Möglichkeit, ein Kokainlaboratorium im Urwald zu besichtigen. Wenn man mal gesehen hat, unter welchen Umständen und mit welchen Chemikalien nicht-syntetisches Kokain hergestellt wird, weiss man wieder, wieso man bis anhin die Finger davon gelassen hat. Im zweiten Camp erwartete uns dann die nächste Überraschung. Eine Gruppe von ca. zwanzig schwerbewaffneten, kolumbianischen Militärsoldaten ("Ejército") hatte sich ebenfalls im Touristen-Camp niedergelassen. Unter Camp muss man sich allerdings nicht all zu viel vorstellen. Ausser einem Wellblechdach, ein paar Holzlatten, um die Hängematten aufzuhängen, und einer Feuerstelle war da nicht viel mehr. Über das Gebiet "Sierra Nevada de Santa Marta" gibt es viele Geschichten und Gerüchte. Bis vor ca. drei Jahren wurde das Gebiet von den "Guerillas" kontrolliert und auch extensiv zur Drogenproduktion benutzt. Danach übernahm das "Paramilitär" die Kontrolle über das Gebiet und über die Drogen. Seit ca. einem Jahr hat auch hier die starke Hand des kolumbianischen Präsidenten "Álvaro Uribe" durchgegriffen, und das Gebiet wieder unter staatliche Kontrolle gebracht, und die Drogenproduktion und den Drogenhandel grösstenteils eliminiert. Nichts desto trotz waren die Soldaten, welche das Camp mit uns teilten, mit vier um das Camp verteilten Wachen immer auf der Hut, da in diesem Dschungelgebiet nach wie vor vereinzelte Splittergruppen der "Guerillas" unterwegs waren. Die Jungs waren froh, nach vier Monaten im Dschungel wieder einmal mit anderen Leuten sprechen zu können. Und die Touristen konnten ein bisschen "Rambo" spielen, und sich mit Pumpguns, Maschinengewehren, Granatwerfern, etc. fotografieren lassen. (Bild 4: Kokablätter in einem Kokainlaboratorium in der Sierre Nevade de Santa Marta bereit um zerstampft zu werden / Bild 5: Einer der vielen Verarbeitungsprozesse bei der Kokainherstellung / Bild 6: Kolumbianische Soldaten beim Haare schneiden)

Am dritten Tag marschierten wir dann endlich zur "Ciudad Perdida". Leider hatte der Dschungel unterdessen die ersten Opfer gefordert. Majlin, eine Schweizerin, welche mit ihrem Freund Lukas unterwegs ist, und ein weiteres Pärchen, mussten leider aus gesundheitlichen Gründen im zweiten Camp zurück bleiben. Auf dem Weg zur "verlorenen Stadt" kamen wir an einem Dorf der einheimischen "Kogi"-Indianer vorbei und überquerten den Fluss "Buritaca" acht Mal. Die Stadt selber erreichten wir über eine steile Treppe mit 1'200 kleinen, glitschigen Stufen. Das war wieder ein schweisstreibender Marschtag gewesen... (Bild 7: Kogi-Indianer)

Die Ruinen dieser Stadt waren zwar eindrücklich, aber mit "Machu Picchu" natürlich nicht ganz vergleichbar. Toll war, dass wir die Stätte ganz ohne weitere Touristen geniessen konnten. Nach einem ersten Rundgang gingen wir dann ins Camp. Unglaublich, wie viele aggressive Mücken es in dieser "Ciudad Perdida" gab. Wir schliefen in diesem Camp alle unter einem riesigen Mosquitonetz. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte irgend ein Vollidiot einen Rucksack genau zwischen den Boden und das Mosquitonetz gelegt, so dass ein grosses Loch klaffte, wo die Mosquitos unter das Netz schlüpfen konnten. Und dies natürlich ausgerechnet bei meinen Füssen. Hatte ich bis anhin mit Hilfe von regelmässigem und gleichzeitigem Auftragen von jeweils zwei verschiedenen "Repellents" noch relativ wenige Mückenstiche abbekommen, war dies nun defintiv vorbei. Vor allem meine Füsse (trotz Socken) und meine Hände waren während der Nacht kräftig verstochen worden... :-( Aber ich war immer noch besser daran als ein italienischer Südtiroler, welcher alleine an einer Wade über 50 Mückenstiche abbekommen hatte. (Bild 8: 1'200 Treppenstufen bis zum Hauptplatz von Ciudad Perdida / Bild 9: Hauptplatz von Ciudad Perdida)

Am Morgen des vierten Tages führte uns unser Guide noch einmal durch "Ciudad Perdida", und erklärte uns die verschiedenen Fundstellen. Danach mussten wir wieder ins zweite Camp zurückmarschieren. Einige machten auf den feuchten, schlüpfrigen Treppen Bekanntschaft mit ihren Steissbeinen. Zum Glück gab es aber keine gravierenden Verletzungen. Wir hatten an diesem Tag ausserdem das Glück, dass es erst um 17:00, als wir gerade im zweiten Camp angekommem waren, anstatt um 14:00 begann zu regnen. (Bild 11: Funktioneller Stein in Ciudad Perdida)

Am fünften Tag machten sich dann diejenigen, welche die Tour in fünf Tagen machen wollten, schon kurz nach Sonnenaufgang auf, um wieder zum Dörfchen "Manchete" zu marschieren. Die z.T. sehr steilen, schlammigen Pfade und die extreme Luftfeuchtigkeit machten diesen Marsch, welchen man normalerweise in zwei Tagen zurücklegt, ziemlich anstrengend. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so geschwitzt, wie an diesem Tag. Unter anderem kamen wir auch wieder bei der kleinen Siedlung der "Kogi"-Indianer vorbei. Unterdessen waren die Mehrzahl der einheimischen Indianer der Region an einem Grippenvirus erkrankt. Noch heute, über 500 Jahre nach der Ankunft der Spanier mit all ihren Krankheiten, haben die lokalen Indianer nach wie vor schlechte Abwehrkörper gegen unsere "Zivilisationskrankheiten". In einem Haus war keine einzige gesunde Person anzutreffen. Jedes Jahr sterben v.a. Kleinkinder an diesen Krankheiten. (Bild 12: Die gleichen Kogi-Indianer wie oben, allerdings jetzt alle von der Grippe gekennzeichnet)

Ziemlich erschöpft und total verdreckt kamen wir dann am frühen Abend wieder in "Santa Marta" an. Eine Dousche, Seife, Ventilatoren und einen frischen Fruchtsaft waren dann wirklich eine Wohltat. Abends war dann wieder einmal Ausgang mit Tatiana angesagt.

Am Sonntag wollte ich eigentlich für 1.5 Tage mit Tatiana an den Strand. Leider hatte aber ihre beste Freundin in der Nacht auf Sonntag einen Motorradumfall (sie trug Mini-Rock und Spaghetti-Träger-Shirt, auh....), so dass Tatiana den Sonntag im Spital verbrachte. Ich ging dann halt alleine nach "Taganga", wo ich im vergangenen Dezember ja schon einmal war. "Taganga" hat nicht gerade die allerschönsten Strände. Da ich wegen 1.5 Tagen nicht mehr hunderte von Kilometer fahren wollte, ging ich trotzdem dorthin. Ich quartierte mich im "Chalet Suizo" ein, und schaute zusammen mit ein paar Kolumbianern den WM-Final 2006 zwischen "Italien" und "Frankreich". (Bild 13: Fischerhafen von Taganga bei Sonnenuntergang)

Anbei noch ein paar Eindrücke/Einblicke, weshalb mir "Kolumbien" so gut gefällt... ;-)


(Bild 14: o.l. kaffeebraun / o.m. kolumbianische Normalgrösse / o.r. Kolumbianerin nach dem dem WM-Final 2006 am Strand von Taganga / u.l. rund / u.m. ein wenig über dem Durchschnitt / u.r. Tatiana und eine Freundin / m.m. no comment...)

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jetzt ist mir klar, warum Bangkok dir soooo gut gefällt.

Kiara