Montag, 21. August 2006

Bericht 036 (11.08.06 bis 13.08.06)

Eigentlich wollte ich meine Fahrrad-Tour schon früh am Morgen beginnen. Ich hatte es schon lange nicht mehr erlebt, dass es in der Nacht dermassen stark regnen konnte. Auch morgens um 07:00 regnete es immer noch, und ich entschied mich, die harte Matraze noch ein bisschen länger zu "geniessen". Um 09:30 hatte es dann aufgehört zu regnen, und die Strassen waren schon ziemlich angetrocknet (mein Fahrrad hatte ja schliesslich keine Schutzbleche), so dass ich meine Tour beginnen konnte.

Schon nach wenigen Kilometer wurde mir bewusst, dass es nicht so eine einfache Tour werden würde. Das Fahrrad funktionierte zwar, aber der Sattel war verdammt hart, die Lenkradgriffe würden sicherlich ein paar Blasen hinterlassen und weil ich auf dem kleinen Fahrrad viel zu tief sass, würde ich am Abend meine Oberschenkelmuskel sicherlich auch gut spüren. Ausserdem war es verdammt heiss und schwül. Naja, durchhalten hiess die Parole... ;-)

Über die Strecke (316 km) hatte ich eigentlich gar keine Informationen, ausser dass auf meiner Karte im Guidebook auf dieser Strecke eine einzige Stadt eingezeichnet war. Die Strecke führte mich von "Nakhon Phanom" nach "Nong Khai", alles entlang des "Mekong". Ich fuhr an tausenden von Reisfeldern vorbei und sah unzählige Wasserbüffel, welche sich in ihren Schlammlöchern wälzten. Immer wieder fuhr ich durch kleine Dörfchen. In den Dörfchen spielte sich immer wieder die gleiche Szene ab. Sobald mich ein Dorfbewohner erblickt hatte, rief er laut "Falang" durch das Dorf. Darauf kehrten sich viele nach mir um und schauten mich mit grossen Augen an. Zuerst mit versteinertem Gesicht, welches dann aber bald einem Lächeln wich. Ansonsten sah ich auf den Strassen vor allem Moped-Fahrer. Auch mit diesen spielte sich die immer gleiche Nummer ab. Sobald sie den "Falang" auf dem Fahrrad ausgemacht hatten, drosselten sie, egal ob sie mich überholten oder mir entgegen kamen, das Tempo. Dann schauten sie mich ebenfalls mit grossen Augen an, fuhren an mir vorbei bzw. überholten mich, verrenkten sich die Köpfe und lachten mir zu. Zum Schluss zeigten mir dann die Männer meistens einen emporgestreckten Daumen und die Frauen riefen laut "Hellooooo"... ;-) Ansonsten genoss ich es, wenn man dann plötzlich wieder einmal unverhofft an einer Sehenswürdigkeit vorbeifuhr. So sah ich eine schöne Tempelanlage und den zweifarbigen Zusammenfluss der Flüsse "Songkram" und "Mekong".

Während den wenigen Tagen, welche ich bis anhin in "Isan" verbrachte, hatte ich drei einfache Klimabeobachtungen gemacht. Es waren dies:

  • In der Regenzeit regnet es meistens in der Nacht.
  • Je stärker der Regenschauer in der Nacht, desto schöner ist das Wetter am nächsten Tag.
  • Es ist immer verdammt heiss, und es herrscht eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit.

Da es in der Nacht zuvor extrem stark geregnet hatte, war es am ersten Tag meiner Fahrradtour auch entsprechend schön. Das war auf der einen Seite zwar gut, um schöne Fotos zu machen, auf der anderen Seite prügelte die Sonne ziemlich unbarmherzig auf mich ein. Zusätzlich traten gerade in der heissesten Zeit die ersten Probleme mit meinem Fahrrad auf. Ich hatte beim Kauf nicht gesehen, dass das Pedal auf der linken Seite nicht wie auf der rechten Seite mit einer Schraube an der Tretlagerachse befestigt war, sondern mit einem Bolzen. Der hatte sich im Verlauf der Zeit gelockert, so dass ich plötzlich auf dem linken Pedal eine Viertelumdrehung Spiel hatte. Da ich mich gerade zwischen zwei Dörfern befand, konnte ich die nächsten paar Kilometer halt nur mit dem rechten Pedal richtig Antrieb geben... :-( Im nächsten Dorf sah ich dann jemanden, der gerade vor seinem Haus an einem Moped am herumschrauben war. Ich fuhr zu dem Mann, und fragte ihn mit zahlreichen Gesten, ob er mir helfen konnte. Er holte einen Hammer und damit schlug ein paar Mal auf den Bolzen. Und siehe da, alles war wieder im Butter. Ich setzte glücklich meine Fahrt fort. Leider hatte ich mich aber zu früh gefreut. Schon nach wenigen Kilometern hatte ich wieder die gleichen Probleme. Dieses Mal war aber gerade ein Bauernhof in der Nähe, wo ein altes Männchen am arbeiten war. Ich fuhr hin, und machte wieder die gleichen Gesten wie zuvor. Der Mann kapierte sofort, was ich brauchte, und holte gerade zwei Hämmer, einen kleinen und einen grossen. Er liess es sich nicht nehmen, und streichelte den Bolzen ein bisschen mit dem kleinen Hammer. Ich hatte irgendwie nicht das Gefühl, dass dies genügen würde. Und da ich auf diesen Bolzen eine ziemliche Wut im Bauch hatte, nahm ich den grossen Hammer und schlug mit voller Wucht mehrmals auf den Bolzen ein. Das Männchen schaute mich ein bisschen verwundert an, musste dann aber ziemlich schmunzeln. Ich konnte meine Fahrt dann fortsetzen, und in den nächsten 48 h machte mir der Bolzen auch keine Sorgen mehr... ;-)

Gegen 17:00 kam ich nach 86 km im Städtchen "Ban Praeng" an. Da ich für diesen Tag ziemlich genug hatte, entschied ich mich, hier ein Zimmer zu suchen. Das war aber wiederum nicht so einfach, denn in diesem Kaff war absolut nichts auf Englisch angeschrieben, und ich wollte einfach niemanden finden, der ein paar Worte Englisch konnte. Naja, die internationale Geste für schlafen hat dann bei jemandem doch noch Verständnis gefunden, und ich wurde zu einem einfachen Gästehaus geführt.

Als ich am nächsten Morgen aufstehen wollte, kam ich fast nicht aus dem Bett, denn mein Allerwertester schmerzte ziemlich heftig... :-( Da auf Empfehlung des Gästehausbesitzers das Fahrrad in meinem Zimmer stand, machte ich gerade einmal ein Probesitzen auf dem harten Sattel. Das Ergenis war ernüchterd, und ich begann schon mit dem Gedanken zu spielen, das Fahrrad doch einfach dort stehen zu lassen, wo es war, und mit den öffentlichen Verkehrsmittel weiter zu reisen. Aber wenn ich in der dritten Welt etwas gelernt hatte, dann war dies, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt, sei sie auch noch so abwegig. Ich nahm ein zusammengelegtes Handtuch und band es mit einer Schnur um den Sattel... ;-) Dies machte den Sattel zwar nicht extrem bequen, aber doch einiges besser ertragbar. Um 08:30 setzte ich meine Fahrt dann fort.

Nach ca. einer Stunde Fahrt überholte mich ein grosser Sattelschlepper, der mir eine riesige Abgaswolke ins Gesicht spuckte. Ich wollte ihn schon verfluchen, als ich sah, wie er ein paar hundert Meter weiter vorne am Strassenrand anhielt. Ich sah dann weiter, dass der Fahrer aus seiner Führerkabine kletterte und sich hinter seinem Sattelschlepper positionierte. Als ich näher kam, fing er an wie wild mir zu zu winkeln, und machte Zeichen, dass ich bei ihm anhalten sollte, was ich dann auch tat. Er kam auf mich zu, redete in der thailändisch Sprache auf mich ein, klopfte mir auf die Schultern und drückte mir am Schluss eine neue, 1.5-Liter-PET-Flasche mit Wasser in die Hand... :-) Dieses Mal war ich es, der mit grossen Augen guckte. Das Wasser konnte ich natürlich gut gebrauchen. Allerdings restlos glücklich war ich nicht, denn als der Sattelschlepper mich danach zum zweiten Mal überholte, spuckte er mir zum Abschied noch einmal eine volle Ladung seiner Abgase ins Gesicht... :-(

Wieder eine Stunde später kam ich an einer Arbeiterkolone vorbei, welche aus ca. 100 Personen bestand und die Strassenränder mit Mancheten und Sicheln vom überwuchernden Unterholz befreite. Als mich der erste Arbeiter sah, gab es wieder "Falang"-Alarm wie jeweils in den Dörfern. Alle stoppten ihre Arbeit, schauten mich an, winkten und lachten mir zu. Heute kam ich mir fast ein bisschen vor, als wäre ich an der "Tour de France", allerdings mit dem grossen Unterschied, dass ich nur mit einer zuckerhaltigen, thailändischen "Red Bull"-Kopie gedopt war... ;-)

Am zweiten Tag meiner Tour war es den ganzen Tag mehr oder weniger bewölkt gewesen, so dass ich ohne die peinigende Sonne ziemlich gut voran kam. Trotzdem machte ich während der heissesten Tageszeit bei einem einsamen Bushaltestellenunterstand einen Rast. Es ging nicht lang, da fuhr ein Pickup vor, und ein schlacksiger Hanswurst um die 40 stieg aus. Er lief zuerst ein Stück der Strasse entlang, drehte sich dann aber plötzlich um und setzte sich zu mir in den Unterstand. In gar nicht so schlechtem Englisch begann er mich zu fragen, von wo ich kommen würde, was ich machen würde, etc. Ich gab ihm natürlich bereitwillig Auskunft über meine kleine Geschichte. Plötzlich sagte er dann aber nach einer Weile, dass er für den lokalen Polizei-Chef arbeiten würde, und dass er zur Sicherheit der Touristen (Welche Touristen?!) meinen Pass sehen wollte. Ich war ziemlich verärgert, denn diese Tour mochte ich gar nicht. Da ich natürlich nicht jedem dahergelaufenen Hanswurst meinen Pass zeige, sagte ich ihm, dass er sich doch zuerst als offizieller Beamter ausweisen solle, denn er war zivil gekleidet. Er sagte mir daraufhin, dass er keinen Ausweis dabei hätte. Unterdessen war ich aufgestanden und hatte meine Sachen wieder zusammengepackt. Ich sagte ihm dann, dass ich mich in diesem Fall auch nicht ausweisen würde, und dass ich jetzt gehen würde. Falls er meinen Pass noch sehen wolle, könne er mich mit seinem offiziellen Ausweis auf dieser Strasse finden. Er erwiderte dann, dass er mich festnehmen würde, wenn ich nun losfahren würde. Ich konnte leider nicht anders, aber ich musste auf diese Aussage hin laut herauslachen. Diesen Hanswurst hätte ich mit der linken Hand ungespitzt ins nächste Reisfeld gesteckt. Das Lachen hatte ihn dann aber wahrscheinlich zutiefst in seiner Beamtenwürde verletzt, denn er sprang von seiner Bank auf und versuchte eine drohende Haltung einzunehmen. Wahrscheinlich zu unser beiden Glück fuhr in diesem Moment ein weiterer Pickup vor. Auf dessen Ladefläche standen zwei Militärpolizisten mit Sturmgewehren. Hinter dem Steuerrad kletterte, wie sich dann herausstellte, der Vorgesetzte des Hanswurstes hervor. Da sie jetzt zumindest zwei ziemlich durchschlagende Argumente und einen offiziellen Ausweis des Vorgesetzten vorzuweisen hatten, zückte ich meinen Pass hervor. Nach zwei Minuten war die Kontrolle vorbei, und ich konnte meine Fahrt wieder fortsetzen.

Gegen Abend kam ich wieder einmal bei einer grösseren Tempelanlage (Wat Ahong) vorbei. Da der Tempel ein bekanntes Pilgerziel war, hatte es nebenan, direkt am "Mekong", ein kleines Gasthaus. Das nächste Städtchen wäre noch einmal 20 km entfernt gewesen. Aber ich hatte für diesen Tag nach 111 km genug, weshalb ich mich entschied hier zu übernächtigen. Ausser dem Tempel, einem Kloster und dem Gasthaus gab es hier allerdings überhaupt gar nichts. Ich hätte im Garten des Gasthauses auch mein Zelt aufschlagen können. Da mir an diesem Tag aber mehrmals während meiner Fahrt verschiedene Schlangen (von 20 cm bis 2 m) und Skorpione vor dem Fahrrad über die Strasse gehuscht waren, und ich auch verschiedene Kobra-Warnschilder gesehen hatte, hielt ich dies nicht für die all zu beste Idee... ;-) Das Nachtessen nahm ich dann im 1 km entfernten Dörfchen "Ban Ahong" unter strenger Beobachtung von zahlreichen Kindern zu mir. In der Nacht war leider nicht gross an schlafen zu denken. Ein riesiges Unwetter, welches auf das Blechdach niederprasselte, sowie unzählige Blitze und Donnerschläge liessen mich lange kein Auge zudrücken. Zum guten Glück war ich nicht im Zelt... ;-)

Am nächsten Morgen machte ich mich dann trotzdem früh auf den Weg, denn es stand die letzte und längste Etappe (113 km) auf dem Programm. Nach ca. zwei Stunden kam ich bei einem Sonntagsmarkt vorbei, welcher mitten im nirgendwo links und rechts von der Strasse aufgebaut war. Ich machte einen Halt, und kaufte mir, nachdem ich fast zehn Minuten lang durch jedes erdenkliche Handzeichen der Verkäuferin versucht hatte zu erklären, was ich wollte, ein paar Früchte. Als ich mich wieder auf mein Fahrrad schwingen wollte, stand plötzlich ein älterer, blonder Mann vor mir. Er, ein pensionierter Norweger, der sich hier niedergelassen hatte, fragte mich, ob ich hier mit dem Fahrrad unterwegs wäre. Nachdem wir ein paar Worte gewechselt hatten, und auch er mein kleine Geschichte kannte, lief er dann mit einem Kopfschütteln wieder davon. Danach war es dann aber an mir, den Kopf zu schütteln. Der dicke, schwitzende Norweger nahm nämlich seine noch keine 20 Jahre alte, thailändische Freundin/Frau, die etwas abseits gewartet hatte, bei der Hand und watschelte weiter... :-(

Gegen 14:00 trat dann wieder das gleiche Problem mit dem losen Bolzen auf. Diesesmal musste ich innerhalb von einer halben Stunde dreimal jemanden fragen, ob er einen Hammer für mich hätte. Aber nach dem dritten Mal schien der Bolzen richtig zu sitzen, und ich konnte meine Fahrt wieder unbesorgt fortsetzen.

Je näher ich nach "Nong Khai" kam, desto dichter besiedelt wurde das Gebiet, und desto mehr nahm auch der Verkehr auf den Strassen zu. Die letzten 20 Kilometer machten aus diesem Grund, und auch wegen der Tatsache, dass ich durch die brütende Hitze und die unbarmherzige Sonne ziemlich "fix und foxi" war, nicht mehr so richtig Spass. Als ich in "Nong Khai" ankam, war ich froh, dass ich im "Sawasdee Guesthouse" für einen relativ günstigen Preis ein Zimmer mit "Air Con" bekam, um meine müden Glieder ein wenig abzukühlen. Damit war dann mein kleines Abenteuer "Die brütende Hölle entlang des Mekong" auch schon wieder vorbei... ;-)