Samstag, 17. Februar 2007

Bericht 061 (10.02.07 bis 15.02.07)

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Am Samstagmorgen, nach fast einer Woche Tourismus-Overkill in "Siem Reap", machte ich mich auf den Weg in den Norden von "Kambodscha". Was ich dort wollte, wusste ich auch noch nicht so genau, denn der Norden gehört mitunter zu den ärmsten Regionen von "Kambodscha", und hat auch touristisch nicht wahnsinnig viel zu bieten. Wahrscheinlich einfach ein Anflug von masochistischer Reiseplanung. Wie auch immer, meine erstes Ziel hiess "Anlong Veng", eine kleine Stadt im Norden in der Nähe zur thailändischen Grenze. Nachdem die "Roten Khmer" Ende der 70er Jahre aus "Phnom Penh" vertrieben wurden, zogen sie sich in den unzugänglichen Norden zurück, um von dort einen Guerilla-Krieg zu führen. Deshalb ist der Norden auch die am stärksten verminte Region von "Kambodscha" ("Kambodscha" ist übrigens nach "Afghanistan" das am stärksten verminte Land der Welt). "Anlong Veng" war dabei die "Rote Khmer"-Hochburg, wo "Pol Pot" und später sein Nachfolger "Ta Mok" ihre Kommando-Zentralen hatten.

Um 08:00 war ich in "Siem Reap" beim sog. Bus-Terminal. Naja, Bus-Terminal konnte man dem nicht gerade sagen. Ich würde so etwas eher mit "staubiger Parkplatz" umschreiben. Ich erfuhr dann, dass der nächste Bus um 13:30 fahren würde. Die Alternative waren Taxi-Pickups. Und per Zufall fuhr gerade eines vor meine Füsse. Der Fahrer sagte mir, dass er gerade losfahren würde. Und tatsächlich fuhr er auch gerade los. Allerdings fuhr er etwa 10x die Hauptstrasse von "Siem Reap" rauf unter runter. Passagiere aufladen, Säcke und Kartons aufladen, Passagiere wieder abladen, etc. Das Ganze ging bis um 10:30. Weil dann der Pickup völlig überladen war, konnte es endlich losgehen.

Nach vier Stunden staubiger Holperstrassen kam wir dann in "Anlong Veng" an. Da war nicht gerade viel. Ein Markt, ein paar Essstände, vier Gasthäuser und unendlich viele Holzbaracken. Noch bevor ich irgendwo einchecken konnte, wurde mir von der lokalen, jugendlichen "Motorrad-Gang" lang und breit unter die Nase gestrichen, dass es hier nur zwei Möglichkeiten gab, wieder weg zu kommen. Entweder mit einem Pickup wieder zurück nach "Siem Reap" oder per Motorrad zum Ort meiner Wahl. Und das dies nicht günstig werden würde, war unschwer zu erkennen, denn die Jungs wedelten triumphierend mit 10- und 20-Dollar-Noten. Naja, kommt Zeit, kommt Rat, dachte ich mir.

Ich quartierte mich zuerst einmal in einem Gasthaus ein. Die schienen allerdings den Umgang mit Touristen nicht gewöhnt zu sein, denn Schlüssel für die Zimmertüren waren vorerst keine vorhanden. Irgendwann bemühte sich dann doch noch jemand, um mir den passenden Schlüssel zu suchen. Als ich damit meine Türe beim Verlassen des Zimmers abschliessen wollte, blieb der Schlüssel irgendwie klemmen. Nach ein bisschen murksen hatte ich plötzlich den Schlosszylinder in der Hand und am Boden lagen zahlreiche, kleine Federn und Bolzen. Künstlerpech... ;-)

Zurück auf der Strasse war ich bald wieder von ein paar Halbstarken mit Motorrädern umringt. Ich fragte sie, was man hier in der Umgebung anschauen könnte. Sie meinten:

  • das Grab von "Pol Pot"
  • den Grenzübergang nach "Thailand"
  • die Aussicht von den umliegenden Hügeln
  • das Haus des "Pol Pot"-Nachfolgers "Ta Mok"

Punkt eins und zwei interessierten mich nicht. Punkt drei war wegen der Trockenzeit und der Tatsache, dass die ganzen Hügel im Vorjahr abgeholzt worden waren, nicht sonderlich vielversprechend. Also blieb nur Punkt vier übrig. Für US$ 0.5 fuhr mich einer der Jungs hin. Als ich dort angekommen war, hätte ich fast heulen wollen. Auf dem Gelände standen drei nackte Betonhäuser ohne Türen und Fenster und etwas abseits noch eine Knebelscheisse. Jemand erklärte mir in gebrochenem Englisch, dass die Häuser als Schlafraum, Wohnzimmer und Kommandozentrale gedient hatten. Und das war es dann auch schon. Und das Ganze hatte mich erst noch US$ 2.00 gekostet... :-( Mir war es sogar zu schade die Digitalkamera auszupacken. Und das will was heissen...

Als ich nach dem Abendessen ins Gasthaus zurück kam, wurde mir gesagt, dass soeben ein Tourist mit einem Motorradfahrer vom "Prasat Praeh Vihear" angekommen sei. Das war gute Neuigkeit für mich, denn dies bedeutete, dass der Fahrer wieder zurückfahren musste. Und da es keine anderen Touristen hatte, war ich für ihn die einzige Möglichkeit noch ein bisschen zusätzlich Geld zu verdienen. Und dies ermöglichte mir eine gute Verhandlungsposition. Wir wurden uns dann über einen halbwegs vernünftigen Preis einig. Der Weg sollte von "Anlong Veng" zum 1'000-jährigen Khmer-Tempel "Prasat Praeh Vihear" an der kambodschanisch, thailändischen Grenze und anschliessend in sein Dorf "Choam Ksam" führen.

Am Sonntagmorgen ging es um 07:30 los. 3.5 Stunden durch ein schwach besiedeltes Gebiet, auf einer holprigen mit rotem Staub bedeckten Strasse. Ausser abgebrannten Feldern, toten Bäumen, ärmlichen Bretterhütten, Staub und nochmal Staub gab es nichts zu sehen. Nicht desto trotz war die Fahrt sehr eindrücklich. Auf der einen Seite war da das intensive Licht der Morgensonne mit einem hellblauen Himmel und weissem Wolken, rote Staubstrassen, verbrannte, schwarzer Erde, graue, tote Bäume sowie vereinzelt Sträucher mit giftgrünen Blättern und leuchtend roten Blüten. Auf der anderen Seite sah ich das einfache Leben der ansässigen Bevölkerung, die weder Strom noch fliessend Wasser haben.

Die Ruinen des Tempels "Prasat Praeh Vihear" liegen auf der Anhöhe einer 500 Moter hohen Bergkette, welche gleichzeitig auch die Grenze zwischen "Kambodscha" und "Thailand" bildet. Mit einem Spezialmotorrad wurde ich dann den z.T. extrem steilen Pfad (bis zu 30% Steigung) heraufgefahren.

Man kann sich ja etwa vorstellen, wie ich nach einer knapp vierstündigen Fahrt auf einer Staubstrasse ausgesehen habe. Man hatte mich vorgewarnt, dass "Thailand" eine geteerte Strasse bis zum Eingang des Tempels gebaut hatte. Und tatsächlich waren schon ca. 100 Touristen beim Tempel. Ich und ein weiterer Tourist waren über und über mit rotem Staub bedeckt, während alle anderen Touristen mit FlipFlop und sauberen Kleidern ein wenig in den Ruinen herumkletterten.

Nach der Besichtigung ging die Fahrt bis zum Dorf meines Motorradfahreres ("Choam Ksam") noch einmal zwei Stunden. Dort setzte er mich vor einem der zwei vorhandenen einfachen Holzhüttengasthäuser ab. Als ich dort nach einem Zimmer fragte, öffnete die Tochter der Besitzerin eine Tür zu einem Zimmer. Kaum hatte sie dies getan, stürmte eine Rüde mit fünf Welpen heraus. Auf dem Bett konnte man noch gut die Dellen sehen, wo die Hunde gelegen hatten. Die Tochter klopfte ein paar mal auf's Bett und deutete mir dann mit einem Handzeichen an doch hinein zu kommen. Ich schüttelte dankend den Kopf und fragte nach einem anderen Zimmer.

Ausser meinem Motorradfahrer, der unterdessen nach Hause gegangen war, schien in diesem Kaff keine Sau ein paar Worte Englisch zu sprechen. Nach einer wohltuenden Dousche entschloss ich mich deshalb aus lauter Langeweile meine Kleider zu waschen. Mit Grundwasserpumpe, einem blechernen Waschbehälter und ein bisschen Waschmittel, welches mir die Gastfamilie netterweise zur Verfügung gestellt hatte, machte ich mich an die Handwäsche. So einen Dreck hatte ich noch nie aus meinen Kleidern sehen kommen.

Um 17:30 wollte ich dann etwas essen gehen. Diesem Unterfangen war aber leider kein Erfolg beschieden, denn ich fand nichts mehr, was zumindest für mich geniessbar gewesen wäre. Entweder waren die wenigen Essstände schon geschlossen oder sie hatten nur übelriechendes Trockenfleisch und in komischen Brühen eingelegte Innereien. Naja, einmal ein bisschen fasten schadet auch nichts... ;-)

Am Montagmorgen ging die Reise dann weiter. Mit einem Pickup - es gab nur einen Pickup, welcher das Dorf pro Tag verliess - fuhr ich nach "Tbeng Meanchey". Ich hatte einen bisschen mehr bezahlt, um einen Sitz in der Führerkabine zu erhalten, denn ich hatte keine Lust, meine frisch gewaschenen Kleider schon wieder einer Staubfahrt auszusetzen. Auf der Sitzbank hinter mir nahm eine junge Dame Platz. Irgendwie schien ich ihr gefallen zu haben, denn sie arretierte den Rückspiegels des Fahrers so, dass sie mich von ihrer Rückbank aus auch von vorne beobachten konnte. Und sie glotzte mich dann tatsächlich während der zweistündigen Fahrt praktisch ununterbrochen an.

In "Tbeng Meanchey" hatte ich ein wenig Pech, denn ich verpasste ein "Shared Taxi" nach "Kompong Cham" nur um wenige Minuten. Ich durfte dann geschlagene drei Stunden auf das nächste Taxi warten, welches dann aber nur bis "Kompong Thom" fuhr. Obwohl es erst 15:00 war, konnte ich die Weiterreise von "Kompong Thom" aus vergessen, denn um diese Zeit fährt in "Kambodscha" nichts mehr.

Am Dienstagmorgen ging dann die Fahrt über "Kompong Cham" und "Snuol" bis nach "Kratie", einem kleinen, am "Mekong" liegenden Städtchen, weiter. Dies sollte meine letzte Station in "Kambodscha" sein. Am Mittwochmorgen mietete ich mir ein Fahrrad. Zusammen mit dem Fahrrad liess ich mich auf die ca. sechs Kilometer lange Insel "Koh Trong", welche mittem im "Mekong" liegt, überschiffen. Kaum war ich auf dieser 1'800 Köpfe zählenden Insel angekommen, lernte ich auch schon den wunderfitzigen Bürgermeister kennen. Das war das erste Mal, dass ich in "Kambodscha" mal so richtig meine Französischkenntnisse verwenden konnte. Er erzählte mir ein paar Dinge über die Insel und über sein Leben während der Herrschaft der "Roten Khmer". Er musste seine Fremdsprachenkenntnisse vor den "Roten Khmer" verheimlichen, denn diese brachten alle Leute mit Fremdsprachenkenntnissen um. Die anschliessende Rundfahrt um die Insel war herrlich. Kein motorisierter Verkehr, keine Touristen, freundliche und fröhliche Leute sowie viele wunderschöne Vögel machten es diesen Besuch wert.

"Kratie" hat touristische Bekanntheit erlangt, weil man 15 Kilometer nördlich von "Kratie" bei "Kampi" "Irrawaddy"-Süswasserdelphine beobachten kann. Am späteren Nachmittag fuhr ich deshalb mit dem Fahrrad dorthin. Und ich habe auch tatsächlich viele dieser gefährdeten Delphine gesehen. Schöne Bilder davon hat es leider keine gegeben. Jedesmal, wenn einer auftauchte, hörte man zuerst das Ausatmen des Tieres. Bis man es aber gesichtet und die Kamera darauf fokusiert hatte, war es jeweils schon wieder unter Wasser verschwunden... ;-)

Am Donnerstag stand die Reise nach "Laos" auf dem Programm. Mit einem Minibus ging es zuerst nach "Stung Treng". Auf dieser Fahrt lernte ich drei Schweizer kennen, welche mit dem gleichen Ziel wie ich unterwegs waren. In "Stung Treng" überquerten wir den "Mekong" mit einem Boot. Danach ging es mit einem anderen Minibus weiter. Nach einer Stunde Fahrt bog der Fahrer kurz vor einem Kontrollposten plötzlich in einen kleinen, staubigen Feld- und Waldweg ein. Er sprach kein einziges Wort Englisch und deshalb war es ein etwas komisches Gefühl, nichts wissend über eine halbe Stunde lang diesem Weg zu folgen. Aber plötzlich standen wir dann wieder am "Mekong", wo es eine Ansammlung von zehn Holzhütten gab. Das war "Ven Khav", und eine der Holzhütten stellte das "Immigration Office" dar. Für nur einen Dollar bekamen wir den Ausreisestempel in den Pass gedrückt. Der Minibusfahrer fuhr uns dann noch 200 Meter ins "Niemandsland", wo schon laotische Minibuse auf Kundschaft warteten. Wie es in "Laos" weiter ging, lest ihr dann natürlich im nächsten Bericht...

Knapp drei Wochen habe ich damit in "Kambodscha" verbracht. Zeit wieder einmal ein kleines, subjektives Fazit zu ziehen. Die Kurzversion dieses Fazites lautet: Ich hab´s gesehen und komme garantiert nicht wieder zurück. Vielen anderen Reisenden, die ich getroffen habe, sagten ähnliches über "Kambodscha". Ich möchte es aber aber trotzdem nicht auslassen, ein paar Aspekte noch ein wenig auszuleuchten.

  • Leute: Ein wenig vereinfacht gesagt bin ich in "Kambodscha" auf drei Typen von Menschen getroffen: Die Freundlichen, die Verschlossenen und die Unfreundlichen. In "Kambodscha" konnte sich der Tourismus erst in den vergangenen zehn Jahren entwickeln. Die Khmers scheinen aber klevere Personen zu sein, denn sie haben sehr schnell gelernt, wie man kurzfristig gedacht am meisten aus den internatinalen Touristen abschöpfen kann. Die meisten Leute des Types "Unfreundlich", die ich getroffen habe, arbeiteten in der Tourismus-"Industrie". Wenn man mit diesen Leuten gesprochen hat, sah man meistens das Dollarzeichen in ihren Augen aufleuchten, und es erschien einem, als müssten die Touristen praktisch als Ersatz für die in "Kambodscha" praktisch inexistenten Bankautomaten hinhalten. So etwas hatte ich bis anhin nur in "Indonesien" erlebt. Echt zum kotzen... :-( Über die Verschlossenen, sich ziemlich reserviert verhaltenden Khmer-Leute, kann ich logischerweise nicht all zu viel berichten, da sie eben ziemlich verschlossen waren... ;-) Ob die Ursache dieser Verschlossenheit in den evtl. fehlenden Englischkenntnissen, in der traumatischen Vergangenheit des Landes oder in anderen Gründen zu suchen ist, kann ich nicht beurteilen. Die freundlichsten Leute habe ich meistens ausserhalb von den Touristenzentren und grossen Städten getroffen. Vor allem im Norden, wo sehr wenige Touristen hingehen, waren die Leute sehr neugierig und offenherzig.
  • Tourismus: Über Tourismus habe ich im obigen Abschnitt schon das Wichtigste erwähnt. In sehr kurzer Zeit hat sich der Tourismus in "Kambodscha" in die falsche Richtung entwickelt. Wie in den meisten armen Ländern, können die Leute nicht langfristig denken, weshalb kurzfristig Einkommensmaximierung praktisch überall die präferierte Strategie ist, denn schliesslich muss der Mund noch am gleichen Abend gestopft werden. Servicequalität oder eine adequate Gegenleistung für den bezahlten Preis einer gewünschten Dienstleistung ist in "Kambodscha" fast unbekannt. Wenn man es etwas böse sagt, dann gibt es in "Kambodscha" sowieso nur etwas, was man unbedingt gesehen haben muss. Und dies ist "Angkor Wat". Viele Touristen machen während ihren "Thailand"-Ferien einen zwei- bis dreitägigen Ausflug nach "Angkor". Obwohl ich diese Art von Tourismus eigentlich nicht befürworte (der grösste Teil der Touristengelder in der Angkor-Region fliessen in internationale, v.a. koreanische, Kassen), ist es bei knappem Zeitbudget nicht unbedingt die schlechteste Idee. "Kambodscha" ist ansonsten vorwiegend flach. In der Trockenzeit ist es extrem trocken und staubig, in der Regenzeit ist es extrem nass und schlammig. Also nicht wahnsinnig viel, was man unbedingt gesehen haben muss.
  • Transport: In "Kambodscha" gibt erst ganz wenige Hauptverkehrsachsen, welche durchgängig geteert sind. Ansonsten sind die Schotterstrassen entweder staubig oder schlammig. Das Reisen ist deshalb oft sehr langsam, unbequem und ermüdend. Ausserdem sind nur die Hauptrouten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen. Sobald man diese Routen verlassen will, muss man auf Taxis umsteigen, und da hat man als Tourist oft relativ schlechte Karten in der Hand, um einen vernünftigen Preis zu erhalten. Ausserdem scheinen die Khmers Weltmeister im überbeladen von Fahrzeugen zu sein. Was ich hier alles gesehen habe und z.T. auch selber mitgefahren bin, würde dem einen oder anderem schlaflose Nächte bereiten. Z.B. 35 Personen plus Fahrrad, zahlreiche Säcke und Kartonkisten auf einem kleinen Toyota-Pickup ist in "Kambodscha" normal.
  • Armut: "Kambodscha" (ca. US$ 400 BSP pro Jahr und Kopf) ist neben "Bolivien" das ärmste Land, welches ich bis anhin auf dieser Reise besucht habe. Viele Ursachen der oben aufgeführten, negativen Punkte über "Kambodscha" können sicherlich z.T. auf die herrschende Armut zurückgeführt werden.