Mittwoch, 23. Mai 2007

Bericht 071 (10.05.07 bis 15.05.07)

Link zum aktuellen Foto-Set: Chengdu

Nach einem traurigen Abschied von On nahm ich schon um 07:30 ein Taxi, um mich zu dem neuen Flughafen "Suvarnabhumi Airport" von "Bangkok" fahren zu lassen. Die Fahrt dauerte fast eine Stunde und war meine bis anhin teuerste Taxifahrt. Aber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hätte ich zwischen zwei bis drei Stunden gebraucht, und dies wollte ich mir zu dieser frühen Morgenstunde wirklich nicht antun.

Ich bin ein grosser Fan des neuen Flughafens von "Bangkok". Fünf Minuten nach meiner Ankunft am Flughafen hatte ich bei "Thai Airways" eingecheckt, und zehn weitere Minuten später war ich schon durch sämtlich Zoll- und Sicherheitskontrollen geschleust worden. Da lief alles wie am Schnürchen. Allerdings ist der Flughafen in "Thailand" seit langem dauert in den Medien. Die involvierten Baufirmen haben bei der Konstruktion der Start- und Landebahnen entweder schlecht gearbeitet oder minderwertige Baumaterialien verwendet. Auf jeden Fall waren diese Bahnen schon wenige Monate nach der Einweihung vom September 2006 wegen Schlaglöchern renovationsbedürftig. Und nun wird eifrig nach den Schuldigen und nach den Fananzierungsquellen für die Renovationen gesucht.

Von der schlechten Startbahn spürte ich bei unserem Start allerdings nichts, und der Flug verlief wie immer mit "Thai Airways" reibungslos. Ich hatte sogar noch was kleines zu feiern. "Thai Airways" war für mich die erste Airline, welche ein beim Check-in bestelltes, vegetarisches Menü dann auch tatsächlich servieren konnte. Wow... :-)

Nach einem zweistündigen Flug, kurz vor der Landung in "Chengdu" in "China", schaute ich aus dem Kabinenfenster. Was ich zu sehen bekam, erfreute mich nicht gerade sonderlich. Da hing eine riesige Smogwolke über der Stadt, so dass man nicht mehr als 200 Meter weit sehen konnte.

Die Einreiseformalitäten wurden zu meinem Erstaunen speditiv und ohne Fragen abgewickelt. Zwar hatten die Passagiere im Flugzeug ziemlich viele Formulare (Einreise-, Zolldeklarations- und Gesundheitsformular) ausfüllen müssen. Aber diesen wurden nur eines flüchtigen Blickes gewürdigt.

Als ich zum Flughafenausgang marschierte sah ich einen Mann, der ein Schild mit dem Namen des Gasthauses hochhielt, zu welchem ich gehen wollte. Andere Touristen hatten den Pickup-Service bestellt, aber er nahm mich natürlich ebenfalls mit. Aber zuerst musste ich einmal ein bisschen chinesisches Geld ("Yuan") organisieren. Allerdings gab es auf dem ganzen Flughafen keinen einzigen Geldautomaten, und auch nur gerade eine einzige Wechselstube. Naja, ein paar Dollars wechseln und dann hoffen, dass sich bald ein funktionierender ATM finden lassen würde.

Auf der Fahrt ins Gasthaus musste ich mir dann schon ein paar Mal die Augen reiben. Erstens natürlich wegen der dichten Smogwolke. Zweitens aber vor allem auch weil das, was ich in "Chengdu" zu sehen bekam, nicht so richtig mit meinen Vorstellungen, die ich von "China" hatte, übereinstimmen wollte. "Chengdu" liegt ja nicht an der modernen und entwickelten Küstenregion von "China". Das hier trotzdem alles so modern und westlich aussehen würde, hatte ich nicht erwartet.

Das Gasthaus "Sim's Cozy Guesthouse", in welchem ich mich einquartiert hatte, war ganz Ok. Speziell war allerdings, dass praktisch alle zwei Meter irgendwo ein Schild mit Erklärungen, Verhaltensregeln, Verboten, Anweisungen, etc. hing. So hing z.B. neben der Douschbrause ein halbe A4-Seite lange Erklärung mit sechs Punkten, wie man die Heisswasserregulierung zu bedienen hatte bzw. bedienen konnte... ;-)

Am Freitag musste ich mich dann mit der Organisation meiner Weiterreise nach "Tibet" auseinander setzen. Ich hatte ja schon in meinem letzten Bericht erwähnt, dass wegen den Protesten von fünf Amerikanern beim "Mount Everest Base Camp" für ein unabhängiges "Tibet" die Chinesen eben dieses "Tibet" für ausländische Touristen nahezu geschlossen hatten. Ich habe im Internet viel über die Auswirkungen dieser Proteste in "Tibet" gelesen, und auch mit vielen Leuten in "Chengdu" darüber gesprochen. In etwas waren sich die meisten einig. So dumm können nur ein paar Amerikaner sein. Was sie mit ihrer saudummen Aktion erreichen und welche Konsequenzen ihre Handlungen haben würden, haben sie sich wahrscheinlich nie überlegt. Anbei eine kurze Auflistung des Erreichten aus meiner Sicht:

  • Die fünf Idioten wurden aus "China" ausgewiesen.
  • "Peking" deponierte einen offiziellen Protest in "Washington".
  • Die Aktion erhielt ein paar Agenturmeldungen sowie vermutlich ein paar Sendesekunden in verschiedenen Nachrichtensendung. So viel ich weiss, nennt man dies im Fachjargon auch eine mediale Eintagesfliege. Kurz in den Medien erwähnt, und am nächsten Tag wieder vergessen.

Kurz und bündig gesagt: Nichts erreicht. Die Konsequenzen sind hingegen weit grösser und stehen in keinem Verhältnis zum Erreichten:

  • "China" hat den Zugang zu "Tibet" für ausländische Touristen stark eingeschränkt. Unabhängiges Reisen war nach den Protesten nur noch in der Umgebung von der tibetischen Hauptstadt "Lhasa" möglich. Ansonsten mussten sich Touristen einem chinesischen Führer anschliessen. Die ausbleibenden Touristen spürt nun finanziell vor allem die tibetische Landbevölkerung. Keine Arbeit für Restaurants, Hotels, Führer, Fahrer, Träger, "Yak"-Treiber, etc.
  • Gelesen habe ich, dass die tibetische Reiseagentur, welche für die fünf Amerikaner die tibetischen Reiseerlaubnisse erstellt hatte, von den Chinesen geschlossen, alle tibetischen Mitarbeiter entlassen und der Besitzer verschwunden ist. Ob dies allerdings alles stimmt, kann ich nicht beurteilen.
  • Tausende von Touristen mussten ihre Reisepläne komplett auf den Kopf stellen, bzw. mussten ein Mehrfaches an Geld in die Hand nehmen, um ihre geplante Reise fortzusetzen. So wurde z.B. die sehr beliebte Route durch den "Himalaya" von "Kathmandu" in "Nepal" nach "Lhasa" in "Tibet" vorübergehend komplett geschlossen.

Um nach "Tibet" zu gelangen, musste man schon immer eine spezielle Reiseerlaubnis ("Travel Permit") haben. Diese war unter normalen Umständen relativ einfach zu erhalten, falls man über die von der chinesischen Behörden festgelegten Standardrouten nach "Tibet" einreisen wollte. Diese "Permits" erlaubten einem sich in der Umgebung von "Lhasa" frei zu bewegen. Sobald man sich allerdings von "Lhasa" entfernen wollte, benötigte man theoretisch zusätzliche "Travel Permits", welche in "Tibet zu organisieren waren. All diese Erlaubnisse konnte man sich als Individualreisender oder als Mitglied einer Tour beschaffen. Allerdings musste man sich die Erlaubnis über einen Reiseagenten besorgen, nicht direkt bei der zuständigen Behörde. Und dass diese Agenten damit kräftig verdienen wollten, versteht sich natürlich von selbst.

Nach den Protesten beim "Mount Everest Base Camp" war die Situation mit den "Travel Permits" allerdings plötzlich ganz anders. Und niemand schien genau zu wissen, welche Regeln nun galten, bzw. die Regeln schienen sich von Tag zu Tag zu ändern. Ich verbrachte meinen zweiten Tag, den Freitag, damit von Gasthaus zu Gasthaus und von Reisebüro zu Reisebüro zu laufen. Alle erzählten mir etwas anderes. Die einen meinten, dass sie keine "Travel Permits" für Individualreisende, sondern nur für Tour-Gruppen mit chinesischem Führer arrangieren konnten (was ich allerdings nicht wollte). Andere meinten, dass sie im Moment gar nichts organisieren konnten. Wiederum andere sagten, dass sie "Travel Permits" erst wieder ab einem bestimmten Datum beschaffen konnten. Als ich am Abend ins Gasthaus zurückkehrte, hatte ich mir die Füsse wund gelaufen, unendliche viele verwirrende Informationen erhalten, meine ersten Erfahrungen mit der chinesischen Bürokratie gemacht und mir beim Mittagessen kräfig den Magen verdorben, aber keine Lösung für mein Weiterreiseproblem gefunden. Super... :-(

Am nächsten Tag hiess es dann plötzlich im Reisebüro meines Gasthauses, dass ich ein "Travel Permit" erhalten könnte, wenn ich mind. eine eintägige Tour in "Tibet" bei ihnen buchen und meinen detailierten Reiseplan für "Tibet" abgeben würde. Das tönte für die momentanen Verhältnisse doch ganz akzeptabel. Ich verbrachte also einen ganzen Nachmittag damit einen detailierten Reiseplan zusammen zu stellen. Als ich damit dann wieder im Reisebüro vortrabbte, hiess es plötzlich, dass ich "Lhasa" doch nicht selbständig verlassen könnte, und dass ich alle Ausflüge ausserhalb von "Lhasa" mit der Partneragentur arrangieren müsste. Das war für mich dann wieder inakzeptabel.

Am nächsten Tag erfuhr ich, dass die Reiseagentur von "Sam's Guesthouse" für Individualreisende "Travel Permits" organisieren konnte. Wie sich dann allerdings herausstellte, bekam man ein "Permit" nur im Zusammenhang mit einem Flugticket nach "Lhasa". Tickets für die von mir präferierte Zugstrecke nach "Lhasa", die im Sommer 2006 neu eröffnet worden war, waren vorübergehend für Ausländer nicht erhältlich. Ich schluckte diese Kröte, zahlte viel Geld und hoffte, dass ich dann auch wie versprochen am darauf folgenden Mittwoch nach "Lhasa" fliegen konnte.

Bis ich meine Weiterreise organisiert hatte, waren unterdessen schon drei Tage vergangen. Mir blieben noch zwei freie Tage bis zu meinem geplanten Abflug nach "Lhasa". Ich war allerdings zu faul, um die Stadt zu verlassen. Ich verbrachte die zwei Tage deshalb hauptsächlich mit ausschlafen, auskurieren und DVD schauen.

Ich erlebte somit meine ersten sechs Tage in "China" in der Viermillionenmetropole "Chengdu". Sicherlich ist diese Stadt nicht repräsentativ für ganz "China". Und ich möchte mir deshalb auch nicht anmassen, ein erstes "Reiseurteil" über "China" zu fällen. Trotzdem möchte ich es aber nicht auslassen, hier ein paar Beobachtungen fest zu halten.

  • Umweltverschmutzung/Umweltschutz: Ich habe ja schon weiter oben erwähnt, dass über "Chengdu" eine riesige, dunkle Smogwolke hing, die manchmal die Sicht auf 200 Meter sinken liess. Ein Stück blauen Himmel sah ich während meinem Aufenthalt nur einmal. Das war nachdem es eine Nacht lang kräftig geregnet hatte. Ich habe mir sagen lassen, dass viele der chinesischen Grossstädte dieses Smogproblem hätten. Dies ist die eine Seite. Auf der anderen Seite war ich erstaunt über die Umweltschutzbemühungen der Chinesen. "China" ist ja bekannt dafür, dass viele Leute auf zwei Rädern unterwegs sind. Dies war auch in "Chengdu" so. Allerdings traten nur gerade ca. 25% der Leute mit einem Fahrrad durch die Gegend. Die übrigen waren mit Elektro-Fahrrädern bzw. Elektro-Scooters unterwegs. Ja, du hast richtig gelesen. Elektrische Zweiräder in "Asien". Während in "Europa" Leute mit Elektrofahrzeugen noch als fanatische Umweltaktkivisten angeschaut werden, fahren in "Chengdu" drei von vier Zweiradfahrer mit einem elektrischen Zweirad herum. Als Fussgänger ist es allerdings ziemlich gewöhnungsbedürftig, wenn man sich nun auch noch auf die unzählbaren, geräuschlosen Elektrofahrzeuge achten muss. Zum guten Glück fährt allerdings keines dieser Fahrzeuge schneller als ca. 20 km/h.
  • Sozialismus/Kapitalismus: Wie gesagt, ich war nicht lange in "China". Aber trotz kurzer Beobachtungszeit möchte ich behaupten, dass in "China" im täglichen Leben nur noch wenig an den "Sozialismus" erinnert. In den Strassen gibt es massenhaft "Audi's", "BMW's" und "Mercedes", die Supermärkte und Einkaufszentren sind bis unters Dach mit Konsumgütern, nicht selten auch Güter aus dem Westen, vollgestopft, und in "Chengdu" scheint es an jeder zweiten Strassenecke einen "McDonald" zu geben. An ein sozialistisches, kommunistisches System erinnert zumindest in "Chengdu" nur der allgegenwärtige, rote Stern und der repressive Überwachungsapparat. Dazu aber mehr in einem späteren Bericht.
  • Manieren/Hygiene: Man muss nicht lange in "China" verweilen um bestätigen zu können, dass gute Manieren und Hygiene nicht zu den Stärken der Chinesen gehören. Dass man in der Strasse des öfteren auch einmal eine schick gekleidete Dame den Schleim hochziehen und auf den Boden spucken hört, ist zwar ein bisschen gewöhnungsbedürftig, kann aber gerade noch knapp akzeptiert werden. Nach all dem, was ich hörte, hatte ich es mir schlimmer vorgestellt. Ekelerregend ist allerdings z.B. wenn man in einem riesigen, chinesischen Internet Café neben einem Typen sitzt, der rücksichtslos Kette raucht (die Chinesen rauchen extrem viel, und v.a. überall), nach jeder Zigarette seinen Raucherschleim auf den Boden spuckt und zwischendurch auch noch seinen schleimigen Naseninhalt auf den Boden spediert... Igitt... :-( Selbstverständlich kann man in jedem Land dieses Planeten eine verschmutzte Toilette antreffen. In "China" scheint aber die Wahrscheinlichkeit, dass man ein Scheisshaus antrifft, in welchem die menschlichen Sekrete in, an oder um die Schüssel bzw. das allgegenwärtige "Squat Loo" verteilt sind, einiges grösser zu sein.
  • Preise: In "China" scheint man als Reisender sehr günstig leben zu können. Schlafen in günstigen Gasthäusern, essen in einfachen Restaurants, trinken (inkl. ein Bier am Abend), Internet, unterwegs mit den öffentlichen Verkehrsbetrieben, etc. für unter US$ 10.00 pro Tag ist kein Problem. Sobald man allerdings eine touristische Attraktivität besichtigen will, wird es ziemlich schnell recht teuer. Da kann der Eintrittspreis für einen Besuch in einem kleinen, einfachen Tempel locker einmal mit dem selben Betrag zu Buche schlagen... :-(

Anbei noch ein Link zu einem guten Zeitungsartikel über die Entwicklung von "China", welcher kürzlich in der der NZZ veröffentlicht wurde.