Samstag, 30. Juni 2007

Bericht 079 (24.06.07 bis 28.06.07)

Link zum aktuellen Foto-Set: Delhi

Am Sonntag schon um 07:00 ging die Reise vom nördlichen "Amritsar" weiter zur indischen Hauptstadt "Delhi". Für die achtstündige Fahrt hatte ich mir dieses Mal das günstigste Ticket der klimatisierten Klassen (AC3 Tier) gebucht. Ich hatte Glück. Ich erwischte einen fast fabrikneuen Wagen und der Zug fuhr für indische Verhältnisse auch fast schon pünktlich los... ;-)

Der 150% teurere Ticketpreis im Vergleich zur nächst günstigeren Klasse hat sich wirklich gelohnt zu berappen. Entspannt und weder überhitzt noch total verdreckt kam ich gegen 15:30 im Bahnhof von "Old Delhi" an. Einquartieren wollte ich mich allerdings im günstigen Touristenghetto "Pahar Ganj" in der Nähe des Bahnhofs von "New Delhi". Von einer Fahrrad-Rickshaw liess ich mich deshalb dorthin kutschieren. Viele Leute hatten mich wegen "Delhi" schon vorgewarnt. Und was ich auf der kurzen Rickshaw-Fahrt und in "Pahar Ganj" zu sehen bekam, entsprach genau dem von den Warnenden Gesagtem. Das war "Indien" pur, wie ich es bis anhin fast überall gesehen hatte.

Am Montagmorgen war wieder einmal die übliche Tätigkeit, zu welcher man als "Asien"-Reisender in dessen Hauptstädten direkt nach Ankunft verpflichtet ist: Visa für die nächste Reisedestination organisieren. Für mich hiess das wieder einmal eine thailändische Botschaft aufsuchen zu müssen. Meine Meinung über thailändische Botschaften habe ich in Bericht 063 ja schon mal beschrieben. Ich hatte mich ein paar Tage zuvor telefonisch erkundigt. Ein Tonband hatte die Unterlagen, welche man für einen Visa-Antrag benötigte, die Öffnungszeiten der Botschaft, etc. erläutert. Mit einer Auto-Rickshaw liess ich mich deshalb durch halb "'Delhi" ins Botschaftenviertel zur thailändischen Botschaft fahren. Eine Viertelstunde vor der Öffnungszeit (08:45) war ich vor der Botschaft. Allerdings nur um zu erfahren, dass Touristen-Visas nicht auf der Botschaft ausgestellt würden. Für diese musste man zu einer Adresse im Zentrum der Stadt gehen, und dort waren die Öffnungszeiten nur von 08:00 bis 10:00. Es wäre natürlich zu viel verlangt gewesen, diese Informationen ebenfalls auf das Tonband zu sprechen... :-(

Wie sich herausstellte war die Adresse nur gerade etwa zehn Gehminuten von meinem Gasthaus entfernt. Also wieder alles zurückfahren. Die thailändische Botschaft hatte mit dem "Geschäft" Touristen-Visa "Outsourcing" betrieben. Eine private Gesellschaft (VFS Global Services) hatte diese Dienstleistung übernommen. Das hatte Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite wurde man freundlich und schnell (nur ein Tag Wartezeit für ein Visa) bedient. Auf der anderen Seite durfte man zusätzlich zur Visa-Gebühr noch 30% Service-Gebühr für die Gesellschaft hinblättern.

Danach konnte ich mich ans "Sight-Seeing" machen, was ich dann auch die nächsten drei Tage tat. Da sich während diesen drei Tagen nichts sonderlich spektakuläres ereignete, fasse ich diese Zeit ein wenig zusammen. Gesehen habe ich in "Delhi":

  • Regierungsviertel (Präsidentenpalast, Parlament, Ministerien rund um "Rajpath")
  • India Gate (Denkmal für im 2. Weltkrieg gefallene, indische Soldaten)
  • Purana Qila (Altes Fort)
  • Humayun's Mausoleum
  • Lodi Garten mit dem Bara Gumbad Mausoleum
  • Safdarjang's Mausoleum
  • Connaught Platz (Zentrum von "New Delhi", Shopping, Gastronomie)
  • Central Cottage Industries Emporium (Shopping Center für indische (Kunst-)Handwerke)
  • Raj Ghat (Kremationsstelle von Mahatma Gandhi)
  • Chandni Chowk (Strassenmarkt in "Old Delhi")
  • Khari Baoli (Gewürzemarkt)
  • Lal Qila (Rotes Fort)
  • Jama Masjid (grösste Moschee Indiens)
  • Indira Gandhi Memorial (Wohnhaus der ehemaligen Staatspräsidentin)
  • Qutab Minar (73 Meter hohes Minaret)
  • Bahai Lotus Tempel (Gebetshaus in Lotusform, welches den Gläubigen aller Religionen offen steht)
  • ISKCON Tempel (Hare Krishna Tempel)
  • Lakshmi Narayan Tempel (Buddhistischer Tempel, welcher dem Wohlstandsgott gewidmet ist)
  • Gurdwara Bangla Sahib (grösster Sikh-Tempel in "Delhi")

Selbstverständlich sind die meisten der oben aufgeführten Sehenswürdigkeiten wieder auf meiner Karte markiert... ;-)

"Dehli" ist eine riesige Stadt (ca. 12 Mio. Einwohner). Sie bei über 40° Celsius grösstenteils zu Fuss zu erkunden, war ein bisschen ermüdend... ;-) Erstaunt war ich über den Teil von "Delhi", welcher "New Dehli" genannt wird. Das von den Briten Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert geplante und gebaute Gebiet wollte so gar nicht in mein bisheriges Bild von indischen Städten passen. Alleen, Grünflächen, breite Strassen, Verkehrsschilder, saubere Strassen, etc. Einmal eine etwas andere "Indien"-Erfahrung... ;-)

Enttäuscht war ich ein wenig von einer von "Delhi's" Hauptsehenswürdigkeiten, dem "Roten Fort". Das Fort war in einem ziemlich schlechten Zustand. Die Briten hatten während ihrer Besatzungszeit, in der das Fort als Militärstützpunkt diente, ihre hässlichen Spuren hinterlassen. Und ausserdem waren alle Gebäude für Besucher geschlossen... :-( Trotzdem hat das Fort gerade in den letzten Tagen den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes zugesprochen bekommen.

Für den Donnerstag hatte ich mir ein Zugticket gekauft, mit welchem ich in einer Nachtfahrt durch halb "Indien" von "Delhi" nach "Mumbai" (auch Bombay genannt) donnern konnte. Die Fahrt sollte um 16.30 beginnen. Den Morgen nutzte ich noch, um zwei Tempel in der Nähe meines Gasthauses zu besichtigen. Ich war damit gerade fertig, als ein heftiger Regenschauer einsetzte. Das war nun definitiv der erste richtige Monsunregenschauer, welcher "Dehli" erreicht hatte. In der Strasse meines Gasthauses gab es wieder das übliche Bild zu sehen. Abgas spuckende Stromgeneratoren (wegen Stromausfall) und Überflutungen (vermischt mit Kuhscheisse).

In "Mumbai" war der Monsun schon lange zuvor eingetroffen. Wie der Besuch einer indischen Millionstadt während der Monsunzeit ist, lest ihr dann wieder im nächsten Bericht...

Sonntag, 24. Juni 2007

Bericht 078 (20.06.07 bis 23.06.07)

Links zu den aktuellen Foto-Sets:

Meine Reise ging mit dem Zug weiter von "Jodhpur" nach "Bikaner" (Link 1, 2). Als ich am Donnerstag um die Mittagszeit in den Zug stieg, sah ich, wie sich in der Ferne ein dunkler Sandsturm auf "Jodhpur" zubewegte.

Ich hatte für diese fünfstündige Fahrt die zweitgünstigste Klasse gebucht (die indische Bahn kennt ca. sieben verschiedene Klassen). Die billigste Klasse sind die offenen Bahnwagen mit Holzbänken. Bei der zweitbilligsten Klasse hat man immerhin schon ein bisschen Polsterung auf den Sitzen. Aber die Bahnwagen sind ebenfalls offen, d.h. Fenster ohne Scheiben dafür mit Gitterstäben (sieht von Aussen ein bisschen aus wie ein Gefängniswagen). Falls man Glück hat, erwischt man in diesen beiden Klassen einen Bahnwagen, in welchem die Ventilatoren funktionieren. Andernfalls wird es halt vor allen in den Bahnhöfen ein wenig heiss und stinkig.

Der Zug fuhr natürlich mitten durch diesen Sandsturm. Die Fahrt wurde wegen den offenen Fenstern ein wenig sandig und staubig. Als der Sandsturm vorüber war, wurde es allerdings nicht viel besser, denn die Zugstrecke führte durch ein wüstenähnliches Gebiet. Und der aufgewirbelte Sand und Staub wurde natürlich ebenfalls in den Bahnwagen geblasen. Ich sass deshalb fünf Stunden lang mit Sonnenbrille und mit um Mund und Nase gewickeltem Halstuch auf meinem Sitz und schaute zu, wie sich der Wagen langsam aber sicher mehr und mehr mit Sand und Staub füllte.

Ein bisschen verstaubt kam ich dann gegen 16:00 in "Bikaner" an. Nach einer wohltuenden Dousche machte ich mich dann aber gleich auf den Weg, um mir eine kleine Wüstentour mit Kamel zu organisieren. Nach langem Suchen wurde ich dann bei "Vino Safari Tour" fündig. Leider gab es zur Zeit keine Touristengruppe, welcher ich mich für eine Tour hätte anschliessen können. "Vinot" organisierte aus diesem Grund eine speziell auf meine Wünsche zugeschnittene Tour. Der Preis bewegte sich deshalb eher am oberen Preisrand, aber mit 1'100 Rupien (ca. CHF 33.00 bzw. 22.00) pro Tag immer noch verkraftbar. Dafür erhielt ich eine Jeep-Fahrt zum Startpunkt meiner Safari, einen Kameltreiber, einen Koch, zwei Kamele, drei Mahlzeiten und vier Liter Trinkwasser pro Tag. Am nächsten Tag um 07:30 sollte es losgehen.

"Vinot" half mir dann auch noch bei der Organisation meiner Weiterreise nach dem Ende der Safari. Nachdem dies alles erledigt war, setzte er mich um 20:30 beim zu einem teuren Hotel umgebauten "Lalgarh Palace" ab, damit ich auch noch bei Nacht ein wenig "Sight Seeing" betreiben konnte. In dem Hotel waren zahlreiche Jagdtrophäen aufgehängt (u.a. mind. 12 Tigerfelle). Um dort allerdings auch mein Abendessen zu geniessen, lag dann nicht mehr ganz in meinem Budgetbereich. Ich ging deshalb ins Zentrum zurück, um in einem günstigeren Restaurant zu essen. In dem Restaurant fühlte ich mich allerdings mehr wie in einer Disco als wie in einem Restaurant. Die unendlich vielen Stromausfälle liessen die Lichter wie in einer Disco an und aus gehen.

Am Freitagmorgen startete meine Wüstentour. Der Kameltreiber und der Koch warteten am Rande der "Thar"-Wüste mit zwei Kamelen auf mich. Ein Kamel war für mich, das zweite Kamel zog eine Kamelwagen (die Räder waren zwei alte Flugzeugreifen), auf welchem das Kamelfutter, unser Proviant, Wasser und die Kochausrüstung sowie die zwei Inder (Rajastanis) transportiert wurden. Die "Thar"-Wüste in der Nähe von "Bikaner" ist keine Wüste wie z.B. die "Sahara"-Wüste. Hohe Sanddünen gibt es nicht. Die "Thar"-Wüste is ziemlich flach und hat eine spärliche Vegetation (vereinzelte Bäume und Sträucher). Und sie ist zumindest an den Randregionen sogar ein wenig besiedelt, denn ab und zu sieht man wieder die eine oder andere Lehmhütte in der Mitte von nirgendwo.

Nach ca. drei Stunden (ich spürte meinen Allerwertesten schon ziemlich schmerzhaft) machten wir in einer leerstehenden Lehmhütte Mittagspause. Der Koch machte sich an die Arbeit und bereitete Gemüse-Curry mit Chapati (indisches Fladebrot) vor. Während den 1.5 Stunden, die der Koch für die Vorbereitung der Mahlzeit brauchte, tauchten plötzlich zwei Knaben in unserer Hütte auf, und später auch noch ein älterer Mann. Die wollten natürlich auch verpflegt werden. Aber es hatte genug für alle, und das Essen war ausgezeichnet, wenn auch ein bisschen sandig... ;-) Die zwei Jungs verschwanden irgendwann ohne Wiedersehen oder Danke wieder in der Wüste. Der alte Mann füllte von unserem Wasservorrat noch seine Flasche auf und verschwand mit dem Hinweis, dass er nun sein verloren gegangenes Kamel in der Wüste suchen gehen müsste, dann ebenfalls wieder. Der Kameltreiber und der Koch brauchten nach dem Essen allerdings eine "Siesta" (wie dieses spanische Wort den Weg in den Wortschatz dieser Wüstenbewohner gefunden hat, wüsste ich allzu gerne), so dass wir uns zwei Stunden im Schatten schlafen legten.

Gegen 16:00 ging es weiter. Eine halbe Stunde bevor wir um 19:00 unser Nachtlager aufschlugen, passierten wir ein grösseres Wüstendorf. In diesem Dorf hatte es viele Pfauen. Ich konnte allerdings kein einziges gutes Foto von ihnen machen, denn überall wo ich hinging, folgte mir eine Menge von ca. 40 schreienden Kindern und ein paar Erwachsenen. Und dass die Vögel vor dieser Menge und damit von mir den Reissaus nehmen würden, war irgendwie einleuchtend. Die Handzeichen, dass sie doch zumindest hinter mir und nicht vor mir herrennen sollten, konnten oder wollten sie nicht verstehen.

Das Nachtlager auf einer kleinen Sanddüne war schnell aufgeschlagen. Es mussten nur der Kamelwagen abgespannt und die Kamele abgesattelt werden. Ich stellte mein Zelt auf und der Koch machte sich daran Tomaten-Curry mit Chapati zu kochen. Schon gegen 21:30 legten wir uns schlafen. Die zwei Inder auf ihrem Kamelwagen und ich im Zelt. Mir wurde es aber bald zu heiss in diesem Zelt. Und da es in dieser Wüste nichts gab, was einem zu stechen, zu beissen oder zu fressen schien, legte ich mich auf eine Decke unter den freien Sternenhimmel und die Milchstrassen.

Am nächsten Morgen gab es zum Frühstück weder Curry noch Chapati, sonder ein paar über dem Feuer geröstete Toasts mit Marmelade. Da ich mein Hinterteil vom Vortag noch ziemlich spürte, entschied ich mich zumindest am Vormittag ebenfalls auf dem Kamelwagen durch die Wüste zu gondeln. So durch diese Einöde getragen zu werden, war total friedlich. Nur ein paar gelegentliche Kamelfurze und -rülpser trübten die Stille... ;-) Zu sehen bekam ich viele Antilopen, Wüstenfüchse, viele verschiedene bunte Vögel, ein paar Reptilien sowie eine Unzahl von kleinen und grossen Käfern. Und von Zeit zu Zeit in der Umgebung von Lehmhütten kleinere Herden von Schafen, Ziegen oder Kühen. Was die allerdings zu fressen fanden, war mir ein Rätsel.

Gegen 11:00 war dann schon Mittagspause angesagt. Unter einem vertrockneten Baum, der kaum Schatten spendete, machten wir einen Halt. Man glaubt es kaum, aber es gab Kartoffel-Curry mit Chapati... ;-) Geschmeckt hat es trotzdem. Nach einer kurzen Siesta unter dem Kamelwagen ging dann die Tour weiter, bis wir gegen 15:00 ein Städtchen namens "Deshnoke" erreichten. Das war schon der Endpunkt meiner Safari. In diesem Städtchen gab es sogar noch eine Sehenswürdigkeit. Der mit Ratten- und Taubenscheisse gefüllte Rattentempel "Karni Mata" (Link 1, 2), wo von Pilgern tausende von Ratten verehrt werden, war allerdings nicht so mein Ding.

Mit einem öffentlichen Bus fuhr ich zurück nach "Bikaner", wo ich im Haus von "Vinot" eine unbedingt benötigte, kühlende Dousche (es war ein bisschen heiss gewesen zwei Tage in der prallen Wüstensonne) nehmen konnte, bevor die Reise weiter ging. Ich hatte nämlich einen Sleeper-Ticket für einen Nachtbus nach "Amritsar" gebucht. Diese Sleeper-Busse sind eine indische Spezialität. Eigentlich ein normaler Bus mit drei Sitzen pro Sitzreihe. Über den Sitzen sind aber jeweils Einzel- und Doppelbetten angebracht. Ich hatte mir ein solches Einzelbett reserviert. Die zehnstündige Fahrt wurde allerdings zu einer meiner schlimmsten Nachtbusfahrten, welche ich durchgemacht habe. Das Bett war für mich erstens zu kurz. Zweitens war die Matte von Dreck schwarz gefärbt, stinkig und extrem dünn. Und drittens herrschte im Bus trotz offenen Fenstern eine ziemliche Hitze. Ach und viertens wurde mir empfohlen, mein ganzes Gepäck ebenfalls auf meinem schmalen Bett zu verstauen, da ich es ansonsten am Ziel eventuell nicht mehr vorfinden würde. Wie auch immer, ich überstand die Nacht mit wenig Schlaf trotzdem und kam um 05:00 in "Amritsar" an.

"Amritsar" ist die heilige Stadt der "Sikhs", weil sich dort die wichtigste Pilgerstätte, der "Goldene Tempel", befindet. "Sikhismus" ist eine Religion, welche im 15. Jahrhundert als eine Mischung aus "Islam" und "Hinduismus" gegründet wurde. Die männlichen Gläubigen erkennt man am einfachsten an den oft schwarzen, Turban-ähnlichen Kopfbedeckungen, wobei sich jeweils direkt oberhalb der Stirn unter der Kopfbedeckung eine "Beule" (zusammengebundene Haare) abzeichnet.

Nach einer halben Stunde Wartezeit war es genügend hell, um mich auf Zimmersuche zu machen. Das war nicht so einfach, weil es wegen der grossen, kontinuierlichen Pilgerschar erstens nicht so viele freien Betten gab, und zweitens es auch keine Tiefsaisonpreise gab. Es wurde am Schluss nicht das schönste, dafür aber das teuerste Zimmer, welches ich bis anhin in "Indien" hatte.

Nach ein paar Stunden Schlaf machte ich mich daran, meine Weiterreise nach "Delhi" zu organisieren und anschliessend den "Goldenen Tempel" zu besuchen. Einen "Sikh"-Tempel zu besuchen ist eine ziemlich Geldbeutel-schonende Tätigkeit, da keine Eintrittsgebühren verlangt werden. Betreten darf man die Tempelanlage allerdings nur ohne Schuhe und Socken, mit gewaschenen Händen und Füssen sowie mit einer Kopfbedeckung. Der aus Marmorstein und Gold gebaute Tempel ("Hari Mandir Sahib"), der in der Mitte eines grossen, künstlichen Teiches ("Amrit Sarovar", dt: Nektarteich) steht, war sehr eindrücklich zu besichtigen. Ebenfalls eindrücklich war die zahlreichen Pilger zu beobachten. Geschätzte 30'000 Pilger besuchen die Tempelanlage täglich. Eine weitere Eigenheit von "Sikh"-Tempeln ist, dass alle Besucher mit einer einfachen Mahlzeit kostenlos verpflegt werden. Die ganzen Prozesse, wie das Essen zubereitet wurde, wie die Besucher das Essgeschirr fassten und im Speissesaal am Boden Platz nahmen, wie das Essen verteilt wurde, und wie am Schluss das Essgeschirr wieder gesammelt und gereinigt wurde sowie der Speissesaal wieder für die nächste Besucherschar geputzt wurde, war faszinierend zu beobachten.

Für 16:00 hatte ich mir einen Platz in einem Jeep organisiert, welcher zur 30 Kilometer entfernten indisch, pakistanischen Grenze bei "Attari"/"Wagah" fuhr. Dort findet allabendlich eine bizarre Grenzschliessungszeremonie statt.

Die Grenze besteht aus zwei Toren, ein indisches und ein pakistanisches, mit jeweils der entsprechenden Flagge darüber. Bei der Zeremonie geht es mehr oder weniger darum, die Flaggen einzuziehen und die Tore zu schliessen, was allerdings etwa eine halbe Stunde dauert. Es ist schwierig das ganze Prozedere in wenigen Worten zu beschreiben. Es zeigt auf der einen Seite die Rivalität der seit Jahrzehnten verfeindeten Länder, ist aber auf der anderen Seite ein perfekt sychronisiertes Komiktheater mit grossen, gut gebauten und perfekt uniformierten Soldaten.

Dienstag, 19. Juni 2007

Bericht 077 (14.06.07 bis 20.06.07)

Links zu den aktuellen Foto-Sets:

Am Donnerstagmorgen ging es von dem kleinen Dörfchen "Orchha" weiter nach "Jhansi", von wo ich einen Zug nach "Agra" nehmen konnte. Natürlich hatte mein Zug wieder zwei Stunden Verspätung. Aber ich war um 16:00 in "Agra" und sah plötzlich von weiten das erste Mal das weltberühmte "Taj Mahal". Das "Taj Mahal" ist die beliebteste Touristenattraktion von "Indien". Entsprechend sind die Einheimischen auch auf die Touristen eingeschossen. Da konnte man keine zehn Schritte tun, ohne dass man von jemandem für irgend etwas angehauen wurde. Obermühsam... :-(

Nach ein bisschen suchen fand ich ein ganz vernünftiges Gasthaus, welches nur gerade zwei Gehminuten vom Osteingang des "Taj Mahal" entfernt war. Leider erfuhr ich aber, dass das "Taj Mahal" am nächsten Tag (Freitag) geschlossen sein würde. Ich hatte dummerweise die zwei kleinen Wörtchen "closed Fri" in meinem Guidebook überlesen. Ich hätte aber auch selber darauf kommen können, ist das "Taj Mahal" doch ein Bauwerk mit islamischen Wurzeln. Wie auch immer, ich genoss ein gemütliches Abendessen auf einer Dachterrasse mit Sicht auf "Taj Mahal". Leider war der Sonnenuntergang aber nicht gerade spektakulär.

Am Freitag machte ich einen gemütlichen Tag, an welchem ich die riesige Fort- und Palastanlage "Agra Fort" besichtigte. Die eindrückliche Anlage in rotem Sand- und weissem Marmorstein war eine gute Einstimmung auf "Taj Mahal". Gegen 17:00 setzte ich mich in ein Restaurant, um etwas zu essen. Das Essen war nicht besonders. Dafür bot sich mir aber ein interessantes Naturschauspiel. Innerhalb von 15 Minute änderte sich der Himmel nämlich von "leicht bewölkt" zu "fast stockdunkler Nacht". Noch einmal 15 Minuten später kam dann ein sehr heftiger Regenschauer, welcher die Kanalisation von "Agra" natürlich komplett überforderte. Die Kinder störte das nicht. Sie tanzten nackt durch die überfluteten Strassen und freuten sich über die willkommene Abkühlung. Erstaunlicherweise waren dann um 19:00 die meisten Wolken wieder weg, und ich konnte einen schönen Sonnenuntergang beobachten. Wie ich später erfuhr, war dies der erste Vor-Monsun-Regenfall gewesen. Damit war auch die extreme Hitzeperiode vorüber. In den Folgetagen erreichte das Thermometer "nur" noch Werte um die 39° bis 40° Celsius. Dafür war aber die Luftfeuchtigkeit um einiges höher, was das Ganze nicht viel angenehmer machte... :-(

Am Samstagmorgen stand ich schon um 06:15 vor dem Eingang zu "Taj Mahal". Ich wollte dieses Bauwerk mit so wenig wie möglich Besuchern geniessen. Der Eintrittspreis war wieder einmal eine Geschichte für sich. 750 Rupien (CHF 22.50) hatten ausländische Touristen hinzublättern, 37.5 Mal mehr als die indischen Touristen. Ein neuer Abzockerrekord... :-(

"Taj Mahal", welches der Herrscher "Shah Jahan" als Mausoleum für seine im Jahre 1631 bei der Geburt des 14. Kindes verstorbene Ehefrau "Mumtaz Mahal" primär aus weissem Marmor erbaute, ist einfach umwerfend. Leider fehlte an diesem Tag wieder der blaue Himmel, was den Genuss und die Fotos ein wenig trübte. Ausserdem machte ich ein paar Schrecksekunden durch. Ich hatte vom "Taj Mahal" noch keine fünf Fotos geschossen, als auf meinem Kamera-Display plötzlich die Meldung "Objektivfehler" auftauchte. Und dann tat die Kemera keinen Wank mehr. Super Timing. Ausgerechnet beim "Taj Mahal". Nach zehnminütigem Herumfummeln, funktionierte das Teil dann wieder. Aber irgendwie musste sich Schmutz im Objektivmechanismus verfangen haben, denn von da an bewegte sich das Objektiv nur noch mit komischen Nebengeräuschen. Aber ich konnte immerhin wieder fotografieren.

Nach drei Stunden hatte ich es gesehen, und ich ging in mein Gasthaus zurück, um meine Sachen zu packen. Denn um 11:30 fuhr mein Bus in Richtung "Jaipur". Im Gasthaus erwartete mich dann aber der nächste Schreck. Beim packen bemerkte ich, dass mein Rucksack auf der linken Seite von unten bis auf halbe Höhe entlang einer Naht aufgerissen war. An diesem Tag blieb mir auch wirklich nichts erspart. Zum reparieren war leider keine Zeit übrig. Mit einem Riemen schnürte ich alles zusammen und hoffte, dass es bis zur Ankunft im nächsten Gasthaus halten würde.

Kaum hatte ich mich in den Bus gesetzt, kam der nächste Regenschauer. Die Fahrt von "Agra" nach "Jaipur" in meinem ersten klimatisierten, indischen Bus (allerdings total unterkühlt) dauerte fünf Stunden und führte über eine schlechte Holperstrasse. Zum guten Glück war den Passagieren die Sicht durch die Frontscheibe durch einen Vorhang hinter der Führerkabine verwehrt. Ansonsten wäre es wahrscheinlich einigen bei den riskanten Fahrmanövern der Vehrkehrsteilnehmer auf den engen Strassen ein wenig schlecht geworden.

Am frühen Abend kam ich in "Jaipur" an. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass es in dieser Stadt ein paar Ansätze von Zivilisation zu geben schien. Zuerst machte ich mich auf die Suche nach einem Gasthaus. Fündig wurde ich dann schlussendlich im "Atithi Guesthouse". Zwar eher am oberen Limit meines Budget, aber das Gasthaus war wirklich super. Alles blitzblank, und der Boden meines Zimmers war aus Marmor... ;-)

Am Sonntag, nachdem ich in meinem sauberen Bett ausgeschlafen hatte, machte ich mich auf, um die Altstadt mit seinen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Die Altstadt wird auch "Pink City" genannt, weil die meisten Häuser rosarot angemalt sein sollten. Ich sah aber nicht ein einziges rosarotes Haus. Die meisten Häuser waren gemäss meinem Farbempfinden mit einer Farbe, die man wohl am ehesten mit "rot-braun" beschreiben könnte, angestrichen. Wie auch immer, die nächste Enttäuschung liess nicht lange auf sich warten. Die Hauptsehenswürdigkeit, das "Mawa Mahal" war von unten bis oben mit einem Baugerüst verdeckt... :-( Ich besuchte auch noch den "City Palace". Aber auch dieser gehörte nicht wirklich zu den "haut mich aus den Socken"-Kandidaten. Ansonsten musste an diesem Tag noch die Weiterreise organisiert werden und im "OM-Tower" im sich um die eigene Achse drehenden Restaurant ein sündhaft teures Abendessen genossen werden.

Am Montag machte ich mich schon wieder frühmorgens auf, um das nächste Fort zu besichtigen. Mit einem kleinen Bus fuhr ich zu dem 11 km ausserhalb von "Jaipur" liegenden Städtchen "Amber". Das oberhalb des Städtchens liegende, riesig Fort mit dem integrierten Palast war interessant. Den Nachmittag verbrachte ich mit der Erledigung 100 kleiner Dingen. Souvenirs und andere kleine Dinge kaufen, Flug nach "Thailand" buchen, Fotos aussortieren, etc. Und vor ich mich versah, war es schon 20:00. Jetzt musste ich Gas geben, um vor meinem Kinobesuch noch in einem guten Restaurant eine "Rajasthan"-Spezialität zu geniessen. Ich hatte mir nämlich am Vortag blindlings eine Kinokarte für das Kino "Raj Mandir", einem der populärsten Kinos in "Indien", gekauft. Es stellte sich dann heraus, dass ich den Film "Jhoom Barabar Jhoom" vom indischen Regisseur "Shaad Ali" zu sehen bekam. Der Film war erst gerade drei Tage zuvor neu in die Kinos gekommen, und entsprechend gut besetzt waren dann auch die Zuschauerränge. Das Kino "Raj Mandir" war wirklich ziemlich speziell. Das riesige Foyer war z.B. in Creme-Schnittenfarben gehalten und mit einem dicken, blauen Teppich ausgestattet. Der Bollywood-Streifen war allerdings auch ziemlich speziell, und definitiv nicht mein Filmgeschmack... ;-)

Am Dienstagmorgen musste ich mein geschätztes Zimmer schon um 06:00 verlassen, denn mein Bus war für 06:30 angesagt. Die 7.5-stündige Fahrt nach "Jodhpur" über erstaunlich gute Strassen verlief problemlos und unspektakulär. "Jodphur" liegt am Rande der "Thar"-Wüste. Der Vor-Monsun hatte diese Gegend noch nicht erreicht. Entsprechend stand das Thermometer wieder bei 43° Celsius. Ich quartierte mich in einem Gasthaus in der Altstadt von "Jodhpur" ein. Diese Altstadt wird auch "Blue City" genannt, weil eine Vielzahl der Häuser blau angemalt sind. Von der Dachterrasse des Gasthauses konnte ich mich dann überzeugen, dass auch wirklich viele Häuser blau gestrichen waren.

Da es schon später Nachmittag war, verschob ich die Besichtigung des berühmten "Meherangarh"-Fort (Link 1, 2) auf den nächsten Tag, und machte mich auf einen kleinen Stadtrundgang. Gegen 17:30 gab es einen kleinen Regenschauer. Dieser nur 10-minütige Regenschauer verwandelte die Stadt in ein dampfendes Teufelsloch.

  • Das auf den heissen Steinen verdampfende Wasser liess einen meinen, dass man in einem Dampfkessel steht.
  • Ein bisschen Regen, und die ganze Stadt war ohne Strom.
  • Wegen der fehlenden oder nicht funktionierende Kanalisation floss das Regenwasser den Strassen entlang in Richtung Zentrum, wo sich innerhalb weniger Minuten ein stinkender, brauner See bildete. Darin war wieder das übliche auszumachen: Abfall, Kuhscheisse, etc.

Die unfreundlichen Leute, der Dreck und der Gestank machten mir die Stadt nicht wirklich sympatisch. Ich kaufte mir deshalb am gleichen Abend noch ein Zugticket für den nächsten Tag.

Am Mittwoch hiess es schon wieder früh aufstehen, den ich wollte von der Dachterrasse den Sonnenaufgang über der blauen Stadt beobachten. Mein Zug fuhr um 10:45 und das "Meherangarh"-Fort öffnete um 08:30 die Pforten. Das musste für einen Besuch des Forts reichen. Ich war der erste Besucher an diesem Tag. Der Eintrittspreis von 250 Rupien (CHF 7.50) gehörte zwar nicht gerade zu den günstigsten. Dafür war aber die Kameragebühr sowie die Benutzung eines Audio-Sets schon inbegriffen. Dieses Audio-Set war eine wirklich tolle Sache. Man lief mit diesem MP3-Player-ähnlichen Gerät durch das Fort und den Palast. Bei allen wichtigen Punkten war eine Nummer angebracht. Diese Nummer gab man auf dem Gerät ein, worauf man in perfektem Deutsch eine Erklärung erhielt. So konnte man nach Lust und Laune schnell oder langsam das Fort besichtigen. Das Fort, der Palast und alle Ausstellungsstücke waren in einem hervorragenden Zustand. Zusammen mit den Erklärungen aus dem Audio-Set war der Besuch wirklich super-spannend.

Nach dieser Besichtigung musste ich mich dann aber beeilen. Zurück ins Gasthaus, kurz douschen, packen und mit einer Autorickshaw zum Bahnhof. Das ich der Stadt so schnell wieder den Rücken zukehrte, war die richtige Entscheidung gewesen, sah ich doch vom Bahnsteig aus, wie sich in der Ferne ein dunkler Sandsturm auf die Stadt zu bewegte. Ob es allerdings in der ebenfalls am Rande der "Thar"-Wüste liegenden Stadt "Bikaner", meinem nächsten Ziel, besser war, lest ihr natürlich im nächsten Bericht... ;-)

Freitag, 15. Juni 2007

Bericht 076 (08.06.07 bis 13.06.07)

Link zum aktuellen Foto-Set: Varanasi, Khajuharo und Orchha

Am Freitagmorgen ging es schon wieder um 07:00 weiter. Meine Reise sollte mich an diesem Tag von "Buddha's" Geburtsort "Lumbini" in "Nepal" zur heiligsten, hinduistischen Stadt "Varanasi" am "Ganges" in "Indien" führen.

Schon nach einer halben Stunde erreichte ich die nepalesisch, indische Grenze bei "Bhairawa"/"Sungauli". Die Grenzformalitäten liefen auf beiden Seiten reibungslos über die Bühne, und auch das restliche nepalesische Geld konnte ich zu einem für Grenzverhältnisse erstaunlich guten Kurs wechseln. Danach hiess es dann allerdings eine geeignete Fahrtgelegenheit zu finden. Wie in "Indien" nicht anders zu erwarten war, wurde ich von mehreren Dutzend Leuten umringt, die anfingen auf mich ein zu schreien und an mir zu zehren. Ich entschied mich für einen alten Jeep, der in die nächst grössere Stadt "Gorakhpur" fuhr. In diesem Fahrzeug hatte es Platz für elf Personen. Allerdings waren drei Plätze durch den Fahrer und zwei Helfer besetzt. Warum es in "Indien" drei Leute für ein so kleines Fahrzeug braucht, war mir nicht wirklich einleuchtend. Auf jeden Fall schafften es die zwei Helfer zuerst mit ein paar indischen Fahrgästen in Streit zu geraten. Danach zerstritten sie sich die beiden unter einander dermassen, dass der Fahrer anhalten musste und einen der beiden rausschmiss.

Drei Stunden später und um die ersten "Indien"-Erlebnisse bereichert, kam ich dann beim Bahnhof von "Gorakhpur" an. Von hier aus wollte ich mit dem Zug weiterreisen. Als ich die riesige Schalterhalle betrat, war so ziemlich das Erste, was ich erblickte, ein grosses Schild mit der Aufschrift "May I help you?". Und darunter stand in kleinen Buchstaben "Tourist Information". Das war ein willkommenes Zeichen, hatte ich doch keine Ahnung wie in "Indien" das Zugfahren funktionierte. Eine etwas ungeduldige Inderin an diesem Info-Stand erklärt es mir dann. Sie bot mir ausserdem an, für zusätzliche 10 Rupien (ca. US$ 0.25) für mich das Ticket zu besorgen. Als ich daraufhin zu den Ticketschaltern mit den ewig-langen Schlangen hinüber schaute, fiel die Entscheidung nicht wirklich schwer. Nach fünf Minuten hatte sie das Ticket besorgt, und ich konnte mich daran tun, die nächsten zwei Stunden bis zur Abfahrt meines Zuges tot zu schlagen. Aus lauter Langeweile hatte ich sogar Zeit telefonisch in "Varanasi" ein Zimmer in einem Gasthaus zu reservieren. Wie sich später herausstellen sollte, ein weise Entscheidung

Kurz vor der indisch, nepalesischen Grenze hatte ich die letzten Ausläufer des "Himalaya"-Gebirges hinter mir gelassen und war wieder auf einer Höhe von ca. 250 M.ü.M. angekommen. Hier hatte die Monsunzeit noch nicht begonnen. Es herrschte immer noch die Trockenzeit. Am Tag meiner Ankunft wurden in "Gorakphur" 44.8° Celius gemessen (siehe auch Artikel in der NZZ). Ein bisschen heiss... ;-)

Die fünfstündige Zugfahrt im 2.-Klassewagen nach "Varanasi" verlief abgesehen von der Hitze und den gegenübersitzenden, nervtötenden Indern, die einem unentwegt anstarrten, als hätten sie das erste Mal einen Weissen gesehen, problemlos. Vom Bahnhof in "Varanasi" liess ich mich von einem Rickshaw-Fahrer an den "Ganges", wo es zahlreiche Gasthäuser gab, fahren. Nachdem ich den Fahrer bezahlt hatte, war ich noch keine 30 Meter gelaufen, als sich mein erster indischer "Tout" (engl. für Werber, Schlepper; im Tourismusjargon jemand, der Touristen zu denjenigen Hotels, Restaurants, Reisebüros etc. führt, welche ihm die besten Kommissionen bezahlen; selbstverständlich wird schlussendlich die Kommission in Form überhöhter Dienstleistungspreise vom Touristen bezahlt) an meine Fersen gehaftet hatte. Vielleicht gar nicht so schlecht. So konnte ich gerade an meinem ersten Tag ein wenig ausprobieren, wie mit diesen Kreaturen am besten umzugehen war. Spasseshalber ging ich in ein Hotel. Gerade als ich durch den Hoteleingang laufen wollte, zwängte er sich an mir vorbei, sagte etwas zum Rezeptionisten und verschwand wieder. Wie nicht anders zu erwarten waren die Zimmerpreise für mich etwa 30% teurer als wie in meinem Guidebook angegeben, und dies trotz Tiefsaison. Und zu verhandeln gab es nichts. Ich lehnte die Angebote dankend ab. Vor dem Hotel wartete der "Tout" und verfolgte mich weiter. Weder die freundliche Bemerkung, dass ich seinen Service nicht benötigen würde, noch der Hinweis, dass ich schon eine Hotelreservation hatte noch ein unfreundliches und wohlverstandenes "Piss off!" fruchteten bei diesem hartnäckigen Idioten. Das dauernde Hinterherlaufen ging mit der Zeit dann doch extrem auf die Nerven, so dass ich mich entschied, die Pfeife zu verarschen. Ich suchte mir ein anständiges Restaurant aus und setzte mich an einen Tisch. Unterdessen war es schon 21:00. Da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, wurde es ein langes, und ausgiebiges Nachtessen. Nach über einer Stunde schulterte ich wieder meinen Rucksack und verliess das Restaurant. Mein "Tout" hatte die ganze Zeit gewartet. Naja, sein Problem. Ich lief zu dem Hotel, wo ich reserviert hatte. Auch dort wieder das gleiche Spiel. Vor mir ins Hotel rein, etwas zum Rezeptionisten sagen, und draussen wieder warten. Ich hatte ihm ja gesagt, dass ich reserviert hatte. Er musste halt ohne Kommission wieder abziehen.

Am nächsten Tag machte ich mich auf einen kleinen Spaziergang entlang des "Ganges". Der "Ganges" ist für die "Hindus" der heiligste Fluss. Sich in "Varanasi" darin zu waschen, an dessen Ufer kremiert zu werden oder an einem der zahlreichen Hindu-Ritualen am Ufer teilzunehmen, ist für viele Hindus sehr wichtig. Ich persönlich würde dort nicht einmal meinen grossen Zehen ins Wasser halten. In der heissen Trockenzeit ist der Fluss nicht viel mehr als ein stinkendes Rinnsal, eine Mischung aus Fluss- und Abwasser. Ausserdem werden in "Varanasi" die Überreste von ca. 300 Kremationen pro Tag in den Fluss gekippt. Diejenigen Verstorbenen, welche gemäss der hinduistischen Lehre nicht kremiert werden dürfen (z.B. schwangere Frauen, Unfallopfer, an Kobrabissen Verstorbene, etc.) werden mit Steinen befestigt und in der Flussmitte versenkt. Naja, die Inder stört das nicht. Da wird gebadet, geplanscht...

Um viel mehr zu machen war ich an diesem Tag zu schwach, denn der Hitze von über 45° Celsius musste ein gewisser Tribut gezollt werden. Gegen Abend schaffte ich es dann allerdings noch, mir beim Bahnhof ein Ticket für die Weiterreise am nächsten Tag zu organisieren. Ich hatte ziemliches Glück, dass ich noch das zweitletzte Bett im Nachtzug reservieren konnte.

Am Sonntag hatte ich mich dann schon besser an die Hitze gewöhnt, und ich setzte die Erkundung der "Ganges"-Region fort.

Mein Zug nach "Satna" sollte an diesem Tag um 23:35 fahren. In der Erwartung, dass ich im klimatisierten Büro für Touristentickets warten könnte, war ich schon um 20:45 am Bahnhof. Dummerweise hatte das Büro aber schon um 20:00 geschlossen. Ich musste also mit ca. 5'000 Indern in der stinkenden Wartehalle warten. Touristen hatte es fast keine. Aber fünf blond- bzw. rothaarige Däninnen fielen in der Masse ziemlich auf. Es stellte sich heraus, dass ich mit zwei von ihnen das Zugabteil teilen würde.

Um 23:00 erfuhren wir, dass unser Zug 30 Minuten Verspätung hatte. Um 00:30 war unser Zug immer noch nicht angekommen. Dafür gab es einen 30-minütigen, heftigen Wolkenbruch. Die Dächer waren natürlich nicht dicht und das auf den Dächern angesammelte Regenwasser stürzte in die Wartehallen und die Bahnsteige. Nach 10 Minuten stand der Bahnhof teilweise bis zu 5 cm unter Wasser. Wobei Wasser vielleicht ein etwas zu geschönter Ausdruck ist. Das war eher eine Mischung aus Wasser, Dreck, Abfall und Kuhscheisse. Ja, in "Indien" laufen die Kühe auch im Bahnhof herum. Zum guten Glück hatte ich meine Schuhe und nicht meine Sandalen an... ;-)

Mit 3.5 Stunden Verspätung kam dann unser Zug dann um 03:00 doch noch. Der Sturm der Inder auf den Zug war ziemlich übel. Drücken, stossen, drängeln, schreien... :-(

Ich war so müde dass ich fest und tief bis um 09:00 durchschlief. Zum guten Glück weckte uns der Schaffner kurz bevor wir "Satna" erreichten. Von dort nahmen wir einen Bus der uns fünf Stunden über extrem schlechte Strassen bis nach "Khajuraho" schaukelte. Die Stadt ist bekannt für seine gut erhaltenen Tempelanlagen mit kunstvoller Steinhauereien, welche zum Teil über 1'000 Jahre alt sind. Interessant ist ausserdem, dass die Tempel zahlreiche kamasutrische Steinbilder beinhalten... ;-) (siehe Fotos)

Ich besichtigte die Tempel schon am frühen Morgen des nächsten Tages, bevor die grosse Hitze kam. Ich muss sagen, dass war etwas vom Feinsten, was ich betreffend alten Tempelanlagen bis anhin gesehen hatte. Faszinierend...

Am nächsten Tag ging die Reise weiter. Eigentlich sollte mein nächster Stop "Agra" sein. Das wäre aber eine 10-stündige Busfahrt gewesen, und dies wollte ich mir aber bei ca. 45° Celsius und unklimatisierten Busen nicht antun. Ich hielt deshalb auf halbem Weg in der kleinen Ortschaft "Orchha". Dort gab es einen grossen Palast ("Jehangir Mahal", 16. Jh.) und zahlreiche Tempel zu besichtigen. Leider war der Palast in einem ziemlich erbärmlichen Zustand. Zwar waren Restaurationsarbeiten im Gange. Aber was nützt es, wenn die Arbeiter den einen Ecken restaurieren, während sie den anderen für ihre Notdurft verwenden.... :-(

Samstag, 9. Juni 2007

Bericht 075 (04.06.07 bis 07.06.07)

Link zum aktuellen Foto-Set: Pokhara und Lumbini

Am Montag ging es wieder einmal schon um 05:30 los. Meine nächste Destination hiess "Pokhara", ein weiteres, nepalesisches Touristenghetto. Aber von dort sollte man eine herrliche Sicht auf den höchsten Gebirgszug des "Himalaya"-Massives haben. Auch tolle Trekkingrouten erwarteten den Touristen.

Bus fahren ist auf der ganzen Welt sicherlich nicht die sicherste Fortbewegungsart. Aber in "Nepal" scheint es noch einiges gefährlicher zu sein. Uralte Klapperbuse, kurvige und damit unübersichtliche Bergstrassen sowie riskante Fahrstile sind die Ursache. Auf der fünfstündigen Fahrt von "Kathmandu" nach "Pokhara" fuhren wir dann auch gerade an drei Unfällen vorbei. Der spektakulärste war derjenige, bei welchem ein Passagierbus eine Kurve nicht mehr erwischt hatte. Er durchstiess eine Steinmauer, die aber zum guten Glück so stark abbremste, dass nur gerade der erste Drittel des Bus über dem 70 Meter tiefen, senkrechten Abgrung frei schwebte.

Ich kam glücklicherweise ohne Zwischenfälle in "Pokhara" an. Ich machte mich auf die Suche nach dem Gasthaus "Blue Planet Lodge", welches Peter mir wärmstens empfohlen hatte. Aber leider fand ich es nicht an der angegebenen Adresse. Weil "Pokhara" ein beliebter Touristenort ist, gibt es unendlich viele Gasthäuser. Wegen der anstehenden Tiefsaison wurde mir aber von niemandem gesagt, wo sich das gesuchte Gasthaus befand. Alle wollten mich stattdessen in ihrem eigenen Gasthaus haben. Irgendwaan erbarmte sich dann ein Ladenbesitzer und sagte mir, dass das Gasthaus umgezogen wäre. Mit seinen Hinweisen fand ich dann das Gasthaus nach einer 45-minütigen Sucherei doch noch. Der Nepalese Ram und die Belgierin Sabine hatten ihr Gasthaus erst gerade in der Vorwoche in ein anderes Haus umgezogen. Nachdem ich am Vortag schon mein 1.5-jähriges Reisejubiläum gefeiert hatte, gab es gerade noch einmal etwas zu feiern. Ich war das erste Mal der allererste Gast in einem neuen Gasthaus... :-)

Damit war dann aber auch schon wieder fertig mit Feierlichkeiten, denn mit meiner Ankunft in "Pokhara" begann im berglichen "Nepal" auch die Monsunzeit. Dies machte mir natürlich einen kleinen Strich durch meine Rechnung. Als ich meine Reisepläne geändert hatte, war ich mir zwar bewusst gewesen, dass dies nicht die ideale Zeit sein würde, um "Nepal" und "Indien" zu bereisen. Aber der Monsun kam doch ein wenig früh.

Wegen den Wolken sah ich während meiner ganzen Zeit in "Pokhara" nicht ein einziges Mal das "Annapurna"-Massiv. Auch trekken strich ich wieder von meiner Aktivitätenliste sowie auch ein Besuch des faszinierenden "Chitwan Nationalparkes". Nach zwei Tagen, während denen ich nicht viel mehr tat, als das Museum der berühmten Gurkha-Soldaten sowie die Stadt selber ein wenig zu gesichtigen, und drei gemütlichen Nächten im neuen "Blue Planet Guesthouse" machte ich mich auf den Weg in Richtung "Indien".

Die Fahrt bis zur indischen Grenze mit einem alten Klapperbus dauerte wieder einmal über zehn Stunden, wobei ich allerdings nur gerade ca. 150 km auf der Strasse bzw. 102 km in direkten Luftlinie zurücklegte. Dafür war die Landschaft mit den vielen und tiefen Tälern umso schöner. Die Nacht verbrachte ich in einem kleinen Dörfchen mit dem Namen "Lumbini", der Geburtsort von "Buddha". Ausser ein paar Ruinen und ein paar internationalen Tempeln gab es allerdings nicht so viel zu sehen, weshalb ich mich schon am nächsten Morgen zu meinem lange erwarteten, teilweise aber auch gefürchtete Indienerlebnis aufmachte. Dazu aber natürlich mehr im nächsten Bericht...

Sonntag, 3. Juni 2007

Bericht 074 (29.05.07 bis 03.06.07)

Links zu den aktuellen Foto-Sets:

Der letzte Bericht endete mit der Ankunft an der nepalesischen Grenze bei "Kodari". So etwas hatte ich noch bei keinem Grenzübergang erlebt. Als läge zwischen "Tibet" und "Nepal" die Distanz von zwei Planeten, tauchten wir mit dem Überschreiten der "Friendship Bridge" in "Nepal" plötzlich in eine ganz andere Welt ein. Vom tibetischen "Buddhismus" zum nepalesischen "Hinduismus". Und obwohl die beiden Religionen den gleichen Ursprung haben, sind sie und ihre Gläubigen doch so unterschiedlich.

Obwohl der Grenzübergang ein ziemlich abgelegener Grenzübergang ist, gingen die ganzen Formalitäten erstaunlich reibungslos über die Bühne. Schon nach 15 Minuten hatten wir alle drei ein nepalesisches Visa in den Pass geklebt bekommen (US$ 30.00) und konnten uns auf die Suche nach einer Fahrmöglichkeit für die Weiterreise machen. Dies lief dann allerdings nicht mehr so reibungslos. Wir waren weit und breit die einzigen Touristen, und somit ein begehrtes Ziel für alle Abzocker-Taxi- und -Jeep-Fahrer. Weil wir nirgends einen vernünftigen Preis erhielten, blieb uns nur der extrem langsame Bus. Für die ca. 20 Kilometer bis nach "Barabise" benötigten wir über zwei Stunden, und dies auf der hintersten, harten Sitzreihe auf einer holprigen, staubigen Strasse und rauchenden Buspassagieren.

Wie auch immer, in "Barabise" konnten wir dann in einen anderen Bus wechseln, welcher nach "Kathmandu", der nepalesischen Hauptstadt, weiter fuhr. Nach einer über 15-stündigen, nervenaufreibenden Reise vom tibetischen "Mount Everest Base Camp" bis nach "Kathmandu", waren wir dann nicht ganz unglücklich, endlich angekommen zu sein.

In "Kathmandu" trennten sich vorläufig die Wege vom belgischen Pärchen (Katrin und Peter) und von mir. Sie hatten sich entschieden für ihre letzten Ferientage ein luxuriöses Hotelzimmer zu nehmen. Ich suchte mir eine Bleibe im Backpacker-Quartier "Thamel". Nach einer wohltuenden Dousche (der ersten nach drei Tagen... ;-) ...) und einer grossen Mahlzeit (der ersten an diesem Tag... :-( ...) schlief ich dann wie ein Murmeltier.

Mit lange ausschlafen war allerdings nichts. Ich musste am Dienstsgmorgen direkt zur indischen Botschaft, um mir ein Visa zu beschaffen. Das war wieder einmal eine unglaubliche Bürokratie. Zuerst anstehen, um ein Telex-Formular zu erhalten. Dieses ausfüllen und wiederum anstehen, um es abgeben zu können. Das Formular wurde dann nach "Indien" geschickt, wo es geprüft und der Visa-Entscheid zurück nach "Kathmandu" gesendet wurde. Ich hatte Glück, denn mein Visa-Entscheid sollte gerade noch vor dem Wochenende (Freitag) zurück sein.

Nach zwei Stunden auf der Botschaft konnte ich mich dann an die Erkundung von "Kathmandu" und dem "Kathmandu-Tal" machen.

"Kathmandu" ist eine richtige Dreckstadt. Allerdings nur im wörtlichen Sinne. So viel Abfahl, Staub, Verkehr und Huplärm sowie so schlechte Strassen und so viele Stromausfälle in einer Hauptstadt hatte ich noch nie gesehen. Aber ansonsten ist "Kathmandu" eine faszinierende Stadt. Da muss man selten weiter als 50 Meter laufen, um wieder etwas neues, aussergewöhnliches zu entdecken. Unendliche viele Schreine, Tempel, Shops, Restaurants, Leute, etc. machten einen Spaziergang in "Kathmandu" nie langweilig.

Allerdings ging mir das Quartier "Thamel", das Backbacker-Ghetto von "Kathmandu", schon ziemlich schnell ziemlich auf die Nerven. Nach über 40 Jahren Erfahrung mit internationalen Touristen ("Kathmandu" war schon Ende 60er/Anfang 70er Jahre ein beliebter Hangout-Ort der Hippies) wussten die Newaris, wie der Hase läuft. Ich wechselte deshalb nach zwei Nächten in ein besseres, günstigeres und ruhigeres Hotel ausserhalb von "Thamel".

Mittwoch bis Samstag verbrachte ich vorwiegend mit Sight-Seeing:

Am besten hat mir "Bhaktapur", eine der drei grossen Städte des "Kathmandu-Tales" gefallen. Eine Stadt, in der man sich vorkommt, als würde man durch ein riesiges Open-Air-Museum laufen. Auch sehr eindrücklich war der Besuch der Tempelanlage "Pashupatinath". Am Fluss, welcher neben der Tempelanlage vorbei fliesst, werden auf offenen Feuern die verstorbenen Newaris kremiert. Nicht unbedingt der schönste Anblick, wenn plötzlich ein angebranntes Bein aus einem Feuer fällt. Die Überreste der Feuerstellen werden in den Fluss gekippt. Nur ein paar Meter flussabwärts stehen dann ein paar Männer in dem stinkenden Fluss und fischen nach Ringen, Goldzähnen etc. Etwas gewöhnungsbedürftig.

Währenddessen hatte ich am Freitag noch einmal meinen Botschaftstag. Als ich mich auf den Weg zur indischen Botschaft machte, staunte ich nicht schlecht, als auf einer der Hauptverkehrsachsen von "Kathmandu" nicht ein einziges Auto zu sehen war. Nur vereinzelte Motorradfahrer waren auszumachen. Erst im Verlauf des Nachmittages erfuhr ich, was los war. Es war wieder einmal "Bandha"-Tag (Streik). Aber die indische Botschaft hatte zum guten Glück geöffnet. Dort hiess es dann wieder am Morgen eine Stunde anstehen, um zu prüfen, ob mein Visa-Entscheid aus "Indien" positiv war (er war's... ;-) ...), und dann eine Stunde anstehen, um meinen Pass abgegeben zu können. Am späten Nachmittag musste ich noch einmal antanzen, um den Pass mit dem Visa wieder abzuholen. Mit gesamthaft fünf Stunden Schlange stehen und 3'300 nepalesischen Rupien (ca. CHF 63.00 bzw. US$ 51.20) war dies sowohl zeitlich als auch monetär gesehen mein bisher teuerstes Visa. Fairerweise muss ich aber sagen, dass die Leute auf der indischen Botschaft in "Kathmandu" zu den freundlichsten Botschaftsangestellten gehören, welche ich bis anhin getroffen hatte, und dass ich nun ein "six months multiple entry visa" habe, was man sonst praktisch nirgends erhält.

Den Sonntag verbrachte ich teilweise wieder einmal mit dem süssen Nichtstun. Aber auch die Organisation meiner Weiterreise am Montag sowie ein bisschen Shopping musste erledigt werden.

Freitag, 1. Juni 2007

Bericht 073 (24.05.07 bis 28.05.07)

Links zu den aktuellen Foto-Sets:

Am Donnerstagmorgen um 07:30 startete unsere fünftägige "Land Cruiser"-Tour von "Lhasa" bis zur tibetisch, nepalesischen Grenze bei "Zhangmu". Diese Strecke wird auch "Friendship Highway" genannt. Allerdings darf man das Wort "Highway" nicht all zu wörtlich nehmen, denn es handelt sich um eine zweispurige Strasse, welche zum Zeitpunkt meiner Durchreise ca. zu 60% geteert war. Die Chinesen werden aber aus verschiedenen Gründen viel daran setzen, diese Prozentzahl in naher Zukunft auf 100% zu erhöhen.

Wir hatten unseren Fahrer und unseren Guide schon am Vorabend kurz kennengelernt, um ein paar Details zu besprechen. Wir, das belgische Pärchen Katrin und Peter und ich, dachten, dass wir ein wenig Glück gehabt hätten, da beide erstens Tibeter waren und zweitens zumindest der Guide ein wenig Englisch sprach. Allerdings war der Guide erst 22 Jahre alt, und wahrscheinlich nicht sonderlich erfahren.

Naja, die gute Vorahnung erwies sehr schnell als eine grosse Seifenblase, welche schon platzte, bevor wir auch nur einen einzigen Meter gefahren waren. Der Guide wollte sich frech auf den Beifahrersitz setzen. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Wir bezahlen viel Geld für einen Guide, den wir weder wollten noch benötigten. Und dieser Guide wollte sich den besten Platz mit der besten Sicht im Auto nehmen. Ich setzte ihn in die Mitte auf den Rücksitz, und hatte es damit mit ihm schon verspielt.

Dann konnte es aber losgehen. Wir fuhren über den südlich von "Lhasa" gelegenen Pass "Kamba-la". Von der Passhöhe (4'794 M.ü.M.) hatte man eine herrliche Aussicht auf den dunkelblauen "Yamdrok-tso See". Danach ging die Fahrt weiter nach "Gyantse", wo wir schon am frühen Nachmittag ankamen. Nachdem wir uns in einem Gasthaus einquartiert hatten, gingen wir zu dem berühmten Kloster "Pelkor Chöde". Der Guide war natürlich mit von der Partie, um uns etwas über das Kloster zu erzählen. Denn für dies hatten wir ja schliesslich auch einen Guide bezahlt. So dachten wir zumindest. Er nuschelte allerdings während seinen Erklärungen im ersten Tempel nur leise vor sich hin, sodass wir nur etwa die Hälfte davon verstanden. Bei heiklen Fragen (Politik oder Geschichte) erzählte er entweder die Unwahrheit oder umging die Frage. Damit war klar, woher der Wind bliess. Der Guide hatte eine Schule besucht und eine offizielle, chinesische Guide-Lizenz erworben. Wahrscheinlich war er von den Chinesen dermassen indoktriniert worden, dass er selber nicht mehr genau wusste, was die tibetische und was die von den Chinesen gewünschte Wahrheit war. Nach dem Tempelbesuch sollten wir eigentlich die berühmte Stupa "Gyanste Kumbum" besichtigen. Er meinte allerdings, dass er zu müde wäre die vierstöckige Stupa zu besteigen, und dass wir sie alleine besichtigen sollten. Mir verschlug es fast die Sprache. Der Guide war damit für mich abgeschrieben. Eine weitere, traurige Geschichte von einem von den Chinesen durch und durch versauten Tibeter.

Um im Verlauf dieses Berichtes nicht noch mehrmals auf dieses Thema zurückkommen zu müssen, beschreibe ich hier kurz, was wir mit unserem Guide und Fahrer sonst noch erlebt hatten. Ab dem zweiten Tag mussten wir froh sein, wenn uns unser Guide pro Tag auf ein paar einfache Fragen jeweils eine Antwort gab. Ansonsten versuchten der Fahrer und der Guide uns um Teile der vereinbarten und bezahlten Leistungen zu betrügen. So wollten sie uns z.B. in "New Tingri" anstelle von "Tingri" übernachten lassen, um ein paar Liter Benzin zu sparen. Oder sie wollten uns schon nach vier Tagen anstelle nach den gebuchten fünf Tagen an der nepalesischen Grenze wegen angeblichen Strassensperren absetzen. Kurz und gut: So etwas hatte ich auf meiner ganzen Reise noch nie erlebt. Mir mussten die ganze Zeit auf der Hut sein, um nicht über den Tisch gezogen zu werden. Unsere Informationen über die Sehenswürdigkeiten und über die gefahrene Strecke mussten wir trotz bezahltem Guide aus unseren Guidebooks beziehen. Und das Schlimmste war, dass wir nichts dagegen tun konnten... :-(

Wie auch immer, am zweiten Tag ging die Fahrt nach "Shigatse" weiter. Auf dem Weg machten wir noch einen kurzen Stop im interessanten Dorf "Shalu" mit dem gleichnamigen Kloster. Auch in "Shigatse" gab es hauptsächlich wieder ein berühmtes, tibetisches Kloster ("Tashilhunpo") zu besichtigen. Vor allem interessant war wieder die vielen farbenfrohen, aber leider kamerascheuen, Pilger zu beobachten. Ansonsten war die zweitgrösste Stadt in "Tibet" eine ziemliche Enttäuschung. Die Chinesen hatten nicht viel vom ursprünglichen "Shigatse" übrig gelassen. Wo man hinschaute, waren die interessanten, tibetischen Häuser durch hässliche, chinesische Betonbauten ersetzt worden. Von einem Aussichtspunkt hatte man fast ein wenig das Gefühl, in einer dieser trostlosen, russischen Retortenstädte gelandet zu sein.

Am dritten Tag hatten wir eine lange Fahrt vor uns. Wir fuhren von "Shigatse" nach "Tingri". Auf dem Weg passierten wir zuerst den 4'950 Meter hohen Pass "Trupa-la", bevor wir wir das letzte tibetische, fortähnliche Kloster "Sakya" dieser Reise besuchten. Danach fuhren über den mit 5'220 Meter höchsten Pass ("Gyatso-la"). Ich muss an dieser Stelle vielleicht einmal erwähnen, dass dieser Trip vor allem wegen der Landschaft so schön ist. Da bekommt man die unglaublichsten Berglandschaften des "Himalaya"-Gebirges zu Gesicht. Zwar ist ein grosser Teil der Landschaft nur steinig, trocken und ohne grosse Vegetation. Aber die Höhe der Gebirgszüge, die z.T. schneebedeckten Gipfel in der Ferne, die verschiedenenfarbigen Steinschichten, die interessanten, tibetischen Dörfer mit ihren Einwohnern sowie der zu dieser Jahreszeit meist wolkenlose, blaue Himmel machen diese Fahrt zu einem Augenschmaus.

Am späteren Nachmittag kamen wir dann in "Tingri" an, von wo wir einen herrlichen Blick auf den "Mount Everest" hatten. Am Morgen des vierten Tages fuhren wir mit den ersten Sonnenstrahlen von "Tingri" in Richtung "Rongphu", welches nur gerade acht Kilometer vom "Mount Everest Base Camp" entfernt liegt. Die Fahrt führte durch eine öde, aber wunderschöne, fast unbesiedelte Gegend, meistens auf über 5'000 M.ü.M.. Von "Rongphu" liefen wir die restlichen acht Kilometer bis zum Camp. Wir hatten extremes Glück, denn der Himmel war blau und ohne Wolken. Ausserdem war der Gipfel des "Mount Everest" ebenfalls nicht in Wolken gehüllt, was angeblich nicht so oft der Fall sein soll.

Der Marsch zum "Mount Everest Base Camp (EBC)" auf 5'200 M.ü.M. mit klarer Sicht auf die Nordwand ("The North Face") des höchsten Berges der Welt (8'848 M.ü.M.) und den entgegen kommenden Yak-Karawanen war definitiv ein Höhepunkt meiner bisherigen Reise. Fantastisch und extrem eindrücklich so am Fusse dieses Berges zu stehen.

Das "Base Camp" selber war ein wenig enttäuschend. Eine grosse, chinesische Flagge, das chinesische Militär, ein Schild, welches anzeigte, dass "China Mobile" auch an diesem Ort für Handy-Empfang gesorgt hatte, ein paar Steinhäuser und ein Markstein mit dem tibetisch, chinesischen Namen "Mount Qomolangma" (= Mount Everest) war alles. Hinter dem nächsten Hügel entdeckten wir dann aber noch zwei richtige "Expedition Camps". Wie ich dann später in der "NNZ Online" gelesen habe, war die Zeit unseres Besuches auch die beste Zeit den Berg zu besteigen. Und dieses Jahr wurde mit der Anzahl der erfolgreichen Gipfelstürmer ein neuer Rekord aufgestellt.

Auf dieser fünftägigen Fahrt habe ich fünf der vierzehn Achttausender gesehen. Es sind dies:

Die Lage dieser fünf Achttausender habe ich natürlich wieder auf meiner Karte (siehe gelbe Marker) gekennzeichnet.

Am fünften Tag führte die Reise vom "Base Camp" zur nepalesischen Grenze bei "Zhangmu", wobei wir wieder zwei 5'000er-Pässe ("La Lung-la [5'124] und "Tong-la" [5'120]) überquerten. Auf den den letzten 30 Kilometern führte die Schotterstrasse von ca. 4'500 M.ü.M. durch ein enges Tal auf ca. 2'000 M.ü.M.. Die Strasse war eine einzige Baustelle, weil die Chinesen daran waren, dieses Teilstück ebenfalls zu teeren. Die Ergebnisse von Felsstürzen und Sprengungen lagen des öfteren auf der Strasse, so dass wir jeweils warten mussten bis die Arbeiter die Strasse wieder frei gemacht hatten. Zu sehen, unter welch gefährlichen und ungesicherten Bedingungen die chinesischen und tibetischen Bauarbeiter arbeiten mussten, so wie der gefährliche Zustand, in welchem die Strasse für den Verkehr geöffnet war, liess mir den Adrenalinspiegel fast höher steigen als bei meinem "Mountain Bike Downhill Trip" auf der gefährlichsten Strasse der Welt in "Bolivien". Wir kamen aber wohlbehalten in "Zhangmu" an und machten uns zu Fuss direkt auf den Weg in Richtung "Nepal". Beim chinesischen Zoll durften wir wieder ein paar Formulare ausfüllen (inkl. ein Formular über unseren Gesundheitszustand). Danach fuhren wir mit einem Minibus acht Kilometer über eine extrem staubige Strasse im Niemandsland zwischen "Tibet" und "Nepal" bis wir die "Friendship Bridge" erreichten und plötzlich in einer ganz anderen Welt standen. Dazu aber mehr in meinem nächsten Bericht...

Damit ist es wieder einmal an der Zeit ein kleines Fazit über ein Land, bzw. in diesem Fall zwei Länder, zu ziehen. Ich möchte allerdings nicht all zu viel über das Thema "China"/"Tibet" schreiben, denn die Details können an anderer Stelle nachgelesen werden. Eine kurze, einfache Zusammenfassung der tibetischen Geschichte bietet z.B. "Wikipedia". Ausserdem gibt es auch Dutzende gute Sachbücher über "Tibet". Und viele Organisationen, welche sich für ein freies "Tibet" einsetzen, bieten auf ihren Web-Seiten zahlreiche Informationen (siehe dazu auch die Links in meiner Link-Sammlung).

Fakt ist, dass die Chinesen "Tibet" 1950 illegal annektiert hatten und in den Folgejahren über eine Million tote Tibeter zurückliessen. Ausserdem wurde ab dem Jahr 1966 in der sog. "Kulturrevolution" ein Grossteil der tibetisch, buddhistischen Kulturgüter durch die "Rote Garde" systematisch zerstört. Das tibetische Staats- und Religionsoberhaupt, der "Dalai Lama", musste während dem ersten grossen Aufstand (1959) nach "Indien" ("Dharamsala") fliehen und führt seit dann von dort aus eine tibetische Exilregierung. Sein Ziel ist eine friedliche Lösung des "Tibet"-Problem. Für diese Bemühungen erhielt er 1989 den Friedensnobelpreis.

Seit den 80er Jahren haben die Chinesen begonnen die Migration von Han-Chinesen auf das tibetische Hochplateau durch Subventionen gezielt zu fördern. Ziel dieser Bemühungen ist ganz offensichtlich die tibetische Identität, Kultur und Religion durch einen endlosen, chinesischen Migrationsstrom zu untergraben und so die Tibeter langfristig in ihrem eigenen Land zu einer Minderheit zu degenerieren. Schon heute hat man das Gefühl, wenn man durch die beiden grössten, tibetischen Städte ("Lhasa" und "Shigatse") läuft, dass diese vorwiegend von Chinesen bewohnt werden, und dass die Tibeter vornehmlich noch als Pilger durch diese Städte laufen.

"China" war noch nie bekannt dafür, dass es die fundamentalen Menschenrechte garantieren würde. Freie Meinungsäusserung oder Religionsfreiheit sind z.B. in "Tibet" nicht gewährleistet. Und der repressive Überwachungsapparat ist in Form von uniformierter und ziviler Polizei sowie Militär überall präsent. Auch in abgelegenen Dörfern auf 4'800 M.ü.M. sieht man einen neuen, chinesischen Polizeiwagen irgend etwas oder irgend jemanden kontrollieren. Auch hat sich z.B. die chinesische Polizei in jedem tibetischen Kloster einquartiert und kontrolliert mit wem die Mönche kommunizieren bzw. welche Schriften sie lesen. Besonders schlimm ist die Polizeipräsenz in "Lhasa's" altem, tibetischen Quartier. Lächerlich aussehende Polizeikolonnen (zu kurze Uniformhosen, weisse Socken, Turnschuhe, gerötete Wangen und schlecht sitzende Krawatten sind nur ein paar Stichworte), welche tibetische Pilger und Mönche schikanieren, können überall beobachtet werden.

Für Leute aus dem Westen ist es fast schon amüsant zu sehen, auf welch lächerliche Weise die Chinesen versuchen, den Tibetern und den Touristen ihre verdrehte Sicht der Dinge darzustellen. Für ausländische Touristen ist es kein Problem, sich vorgängig zu einem Besuch in "Tibet" mit Hilfe von unabhängiger Literatur ein eigenes Bild zu machen. Tibeter haben allerdings keinen Zugang zu unabhängiger Literatur. Den Kindern wird in der Schule die chinesische Sicht der Dinge eingetrichtert. Und dies natürlich in der chinesische Sprache, denn die tibetische Sprache wird heutzutage in der Schule nur noch als Zweitssprache unterrichtet.

Das sich in absehbarer Zukunft eine Lösung für das "Tibet"-Problem finden lässt, ist leider sehr unwahrscheinlich. Da ist zum einen die Arroganz der Chinesen, die Feigheit westlicher Länder dieses Thema im UN-Sicherheitsrat zu diskutieren sowie die territorialen und finanziellen Interessen der Chinesen an "Tibet". Nur zwei kleine Beispiele. "China" baut in grossem Stile Mineralien in "Tibet" ab, um das chinesische Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Auf der anderen Seite werden aber die radioaktiven Abfälle aus "China" in "Tibet" gelagert.

"Tibet" ist ein tolles Reiseland mit viel Kultur, uralten, historischen Bauten und wunderschönen Bergen. Was die Chinesen allerdings damit gemacht haben bzw. noch machen werden, ist gotterbärmlich. Meine Fotos zeigen vorwiegend das "tibetische Tibet" und die "Himalaya"-Berge. Dies ist allerdings nur der eine, der schöne Teil von "Tibet". Um den anderen Teil zu fotografieren, war mir allerdings der Speicherplatz zu schade.

Ach, noch was. "Tibet" liegt zwei Zeitzonen westlich von "Peking". Da aber ganz "China" nach "Peking"-Zeit läuft, steht in "Lhasa" die Sonne erst um 14:00 im Zenit. Sowas bringen nur die Chinesen fertig... :-(