Mittwoch, 19. September 2007

Bericht 087 (14.09.07 bis 18.09.07)

Links zum aktuellen Foto-Set: Von Hanoi nach Macau

Das Zugticket für meine Weiterreise von "Hanoi" nach "Guìlín" in "China" hatte ich als erstes am Montagmorgen nach meiner Ankunft in "Hanoi" besorgt. Die 21-stündige Fahrt (832 km) sollte am Freitag um 18:30 beginnen. Das Zugticket war das interessanteste Ticket, das ich bis anhin erhalten hatte. Es war in drei verschiedenen Sprachen gehalten (Vietnamesisch, Russisch und Chinesisch) und enthielt den Fahrpreis in zwei unterschiedlichen Währungen (Schweizer Franken und vietnamesische Dong). Wieso z.B. die russische und nicht die englische Sprache verwendet wurde, und weshalb in aller Welt der Fahrpreis an erster Stelle in Schweizer Franken angegeben wurde, wird mir wahrscheinlich ewig ein Rätsel bleiben.

Wie auch immer, pünktlich um 18:30 fuhr der Zug in Richtung "China" los. Ich teilte das Abteil mit einem jungen, vietnamesischen Pärchen (er trug Militärkleider in Tarnfarben mit der Aufschrift "U.S. Army"; offensichtlich scheint die junge, nordvietnamesische Generation wenig Probleme mit der Vergangenheit zu haben) und einer Deutschen. Während der fünfstündigen Fahrt bis zur chinesischen Grenze wurden wir von der Wagenaufseherin mindestens zehnmal gefragt, ob wir Geld wechseln wollten. Weil in "Hanoi" die Banken schon am frühen Nachmittag schliessen, hatte ich es leider verpasst, meine letzten "Đồng" zu wechseln. Es aber bei ihr zu wechseln, wollte ich wegen dem schlechten Wechselkurs hingegen auch wieder nicht. Ich rechnete schon damit, dass ich meine restlichen 210'000 Dong (CHF 15.30) halt als Souvenir mit nach Hause nehmen musste.

Gegen 23:30 kamen wir in "Dong Dang" an, wo wir mit allem Gepäck aussteigen und die vietnamesischen Ausreiseformaltäten über uns ergehen lassen mussten. Erstaunlicherweise bot am Bahnhof eine andere Angestellte der vietnameischen Eisenbahn ebenfalls Geldwechseldienste an. Dies allerdings zu für mich weit vorteilhafteren Konditionen. Als das Geld gewechselt war und alle Passagiere ihren Ausreisestempel im Pass hatten, konnten wir wieder einsteigen. Allerdings stiegen wir nun in einen chinesischen, sehr komfortablen Bahnwagen (andere Spurbreite) mit roten Teppichen ein. Nach 15 Minuten Fahrt hielt der Zug in "China" bei "Píngxiáng". Dort lief dann ein chinesischer Zollbeamter durch den Wagen und sammelte die ausgefüllten Einreiseformulare, den in "China" obligaten Gesundheitsfragebogen sowie die Pässe ein. Die Pässe und die darin gedruckten Fotos kontrollierte er beim Einsammeln so ausgiebig, wie ich es noch bei keinem Grenzübergang gesehen hatte.

An dieser Stelle muss ich einen kleinen Exkurs machen. Mein Pass hatte nach ca. einem Jahr Reisetätigkeit trotz aller Sorgfalt die ersten Materialermüdungen gezeigt (Danke Micheline für das "tolle Qualitätsprodukt"! Sniff, ich will den alten Pass mit dem schönen, grossen Schweizerkreuz wieder). Die aus Plastik hergestellte erste Seite mit Passfoto und den persönlichen Daten wies an den Schweissstellen erste Brüche auf. Damit sich die Brüche nicht ausweiteten, hatte ich die Schweissstelle mit einem durchsichtigen Scotch-Klebestreifen gestärkt. Seit dann hatte ich mindestens zehn Landesgrenzen (inkl. im Mai 2007 das erste Mal die chinesische Grenze) und fast ebensoviele Visas auf verschiedenen Botschaften beantragt. Nie hatte es mit dem Klebestreifen Probleme gegeben.

Anders war es dann allerdings bei dem jungen, chinesischen, kleinwüchsigen Schnössel, der sich beim Pass kontrollieren aufspielte, als wäre er der Geheimdienstchef von "China" höchstpersönlich. Er schnauzte mich auf chinesisch an. Obwohl ich kein Wort verstand, wusste ich ziemlich genau, was ihn störte. Ich kratzte den Klebestreifen halt wieder ab. Dies dauerte wegen meinen kurz zuvor geschnittenen Fingernägeln und dem brüchigen Klebestreifen aber ein ganzes Weilchen. Ungeduldig wollte er mir immer wieder den Pass aus den Händen ziehen. Nachdem der Klebestreifen weg war, und ich ihm die Bruchstellen gezeigt hatte, schien er zu verstehen und akzeptierte den Pass. Als ob er mich nicht schon genug geärgert hätte (die Bruchstellen hätte man genau so gut auch mit dem Klebestreifen erkennen können), begann er mit dem vietnamesischen Pärchen auf Chinesisch zu plaudern und scherzen. Das es dabei um meinen Pass ging war unschwer zu erkennen, denn er hielt ihn ihnen direkt vor die Nase. Ich traute meinen Augen fast nicht...

Nachdem die chinesischen Grenzbeamten über 1.5 Stunden gebraucht hatten, um die Pässe von nur gerade zwei ausgebuchten Schlafwagen zu kontrollieren, ging die Fahrt um 02:30 weiter.

Um 06:30 kamen wir dann schon in der Stadt "Nánníng" an. Unsanft wurden wir aus dem Schlaf gerissen und von einer chinesischen Bahnangestellten mit einer Trillerpfeiffe in einen luxuriösen Wartesaal gepfiffen. Dort konnte man entweder zwei Stunden bis zur Weiterfahrt warten, oder sich auf den Weg für einen "kleinen" Stadtrundgang machen.

Ich wollte die Zeit nutzen, um mir bei einem Geldautomaten genügend "Yuan Renminbi" zu besorgen. Dem Unterfangen war aber leider kein Erfolg beschieden.

Exakt nach Fahrplan kam mein Zug um 14.09 in "Guìlín" an. Nach ein bisschen herumstiefeln hatte ich dann mit der Geldbeschaffung mehr Glück, so dass ich direkt wieder zum Bahnhof zurück gehen konnte, um mir ein Weiterreiseticket für den kommenden Montag zu besorgen. Vor allen Schaltern stand jeweils eine 30 Meter lange, chinesische Menschenschlange. Langweilig wurde mir bei der 30 minptigen Wartezeit nicht, denn hinter mir stand ein Informatikprofessor, der mir mit seinem gebrochenen Englisch Löcher in Bauch fragte. Gut war dann allerdings, dass, als ich an die Reihe war, er sich zwischen mich und dass Mikrofon zwängte und der Dame erklärte, was ich wollte. Und dabei hatte ich mir doch so viel Mühe gegeben, auf einem Zettel die chinesischen Zeichen für "Guilin" und "Guongzhou", das Datum, die Zugnummer und den Betttyp zu kritzeln. Wie auch immer, ich musste nur noch das Geld hinhalten und konnte mich anschliessend auf die Suche nach einem Bus nach "Yàngshuò" machen.

Bei meinem ersten Besuch in "China" im vergangenen Mai 2007 hatte ich in "Chengdú" in einem Schlafsaal eine ältere Australierin mit chinesischen Wurzeln kennengelernt. Sie hatte mir ans Herz gelegt, dass ich bei nächster Gelegenheit unbedingt das kleine Dörfchen "Yàngshuò", das von einer wunderschönen Karst-Landschaft umgeben ist, besuchen müsste. Als ich am Samstag gegen 17:00 in diesem "Dörfchen" mit dem Bus einfuhr, fiel ich fast von meinem Bussitz. Das war kein Dörfchen, sondern ein Touristenghetto der Sonderklasse. Eine hässliche, chinesische Kleinstadt mit Tausenden von vorwiegend chinesischen Tourgruppentouristen, in welcher man sich am Samstagnachmittag in der Fussgängerzone seinen Weg mit den Ellbogen freimachen musste.

Am Sonntagmorgen startete ich mit einem gemieteten Mountain Bike eine kleine Erkundungstour der "Yàngshuò"-Umgebung. Auf den geteerten Strassen war, was die Anzahl der radelnden Touristen betraf, die Höhle los. Chinesische Touristen scheinen allerdings nicht sonderlich erkundungsfreudig zu sein und sich vorwiegend mit dem Mainstream zu begnügen. Mir war's recht, denn nachdem ich die Hauptstrasse verlassen hatte, traf ich nur noch selten auf andere Touristen. Was ich aber sonst zu sehen bekam, war wirklich sehr faszinierend. Karstberge in einer idyllischen Flusslandschaft mit vielen Reisfeldern und kleinen, sehr einfachen, chinesischen Bauerndörfchen. Die Mittagspause machte ich im zufällig entdeckten Gasthaus "The Giggling Tree", welches ein holländisches Pärchen weit abseits vom Touristenrummel von "Yàngshuò" erst ein paar Monate zuvor in einem alten Bauernhaus eröffnet hatten. Der Holländer erklärte mir einiges über die Umgebung. Unter anderem erzählte er mir auch, dass sich "Yàngshuò" in den letzten Jahren zu einem der meist besuchten Touristenort in "China" entwickelt hat. Die Australierin muss entweder schon vor vielen Jahren in "Yàngshuò" gewesen sein oder etwas komische Vorstellungen von einem "Dörfchen" zu haben. Wie auch immer, der Umweg auf meinem Heimweg hat sich wegen der atemberaubenden Landschaft trotzdem gelohnt. Und vielleicht werde ich in Zukunft auch mein Guidebook wieder etwas genauer lesen... ;-)

Für den Montag hatte ich eine Tour zu den Reisterrassen von "Lóngjî Titían (Dragon's Backbone Rice Terraces)" gebucht. Eigentlich hätte ich diese Sehenswürdigkeit gerne auf eigene Faust besucht. Das lag aber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zeitlich nicht drin, da ich abends um 18:42 meinen Zug von "Guilin" nach "Guongzhou" erwischen musste. Mit 30 anderen Touristen wurde ich drei Stunden durch die Gegend gekarrt. Natürlich mit den üblichen, komissionseinbringenden Stopps bei einer Raststätte und in einen "Longhair Women Village", wo man zu einem total überrissenen Preis eine 15-minütige Tanzperformance sich ansehen konnte, während diejenigen, welche die Show nicht sehen wollten, im Gesamten eine geschlagene Stunde warten mussten. Als wir dann endlich bei den Reisterrassen auf 850 m.ü.M. ankamen, hatte die Sonne unterdessen den aufgezogenen Wolken Platz gemacht. Ich hätte den Guide am liebsten erwürgt. Zu guter Letzt konnte man wegen den engen Wegen, die zu den Aussichtspunkten führten, den massenhaft anwesenden Touristen und den dicken Amerikanern, welche sich in Sänften den Berg hinauf tragen liessen, nur im Schneckentempo vorwärts kommen. Ansonsten waren die Reisterrassen sehr schön. Diejenigen auf "Bali" und den "Philippinen" haben mir persönlich aber besser gefallen.

Die zuvor schon erwähnten "Longhair Woman" konnte man in den Reisterrassen überall sehen. Wenn die Touristen bezahlten, wickelten sie ihre Haare vom Kopf. Und tatsächlich hatten die meisten Frauen Haare, die mind. bis zu den Knien reichten. Noch interessanter war aber, dass diese Frauen ihre langen Haare bei speziellen Gelegenheiten kurz schneiden. Die abgeschnittenen Haare (ca. ein Meter lang) werden aufbewahrt und weiterhin täglich mit dem normalen Haar um den Kopf gewickelt. Ältere Frauen tragen so drei bis vier Meter Haar auf dem Kopf.

Kurz vor 18:00 lud mich der Bus in der Nähe des Bahnhofes von "Guilin" ab. Nach einem "tollen", chinesischen Nachtessen fuhr dann wieder auf die Minute um 18:42 mein Zug in Richtung "Guǎngzhōu (ehemals Kanton)" ab. Meine Wagenschaffnerin schien mich wahrscheinlich nicht sonderlich zu mögen. Die kleine Frau, die mir knapp bis an den Bauchnabel reichte, motzte mich doof an, weil ein Nylonriemen meines Rucksackes über den Rand der offenen Gepäckablage hing... :-( Geschlafen habe ich trotz "böser" Schaffnerin und meinen fünf älteren, chinesischen Abteilungsgenossinnen sehr gut.

Gegen 07:00 war ich dann in "Guangzhou", von wo es mit einem Bus direkt zur "China"-"Macau"-Grenze bei "Zhūhǎi" weiterging. Dass von nun an die Reiserei einiges teurer werden würde, merkte ich schon an dem Ticketpreis für die zweistündige Fahrt. Über CHF 10.00 (Yuan 65.00) war wahrscheinlich die teuerste, zweistündige Busfahrt, die ich auf dieser Reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gemacht hatte.

Unterdessen hatte ich meinen Pass wieder mit Scotch-Klebestreifen versehen. Ich war gespannt, was an der Grenze passieren würde. Mit tausenden anderen Ausreisewilligen warte ich in einer riesigen Halle, bis ich für die Ausreise zu einem chinesischen Beamten gewunken wurde. Mein Ausreiseschalter war allerdings mit zwei Beamten ausgestattet. Wie sich herausstellte war einer davon eine "Auszubildende". Und da diese noch nie einen Schweizerpass gesehen hatte, nahm sie sich das Recht heraus, meinen Pass einer fünfminütigen Extra-Kontrolle mit Vergrösserungsglas, ultravioletem Licht, und anderen Hilfsmittel zu unterziehen. Den Klebestreifen schien sie dabei aber entweder auch mit ihren "Sherlock Holmes"-Werkzeugen nicht zu sehen oder schlicht einfach nicht zu interessieren.

Über "Macau" erfährt ihr dann mehr im nächsten Bericht...