Mittwoch, 9. Mai 2007

Bericht 070 (23.04.07 bis 09.05.07)

Links zu den aktuellen Foto-Sets:

Ups, so lange habe ich wahrscheinlich noch nie keinen Bericht mehr veröffentlicht. Sorry... ;-)

Es gibt allerdings auch nicht so viel zu erzählen. In "Bangkok" hatte ich ja Mitte April meinen Pass auf der chinesischen Botschaft für einen Visa-Antrag deponiert. Die Botschaft brauchte zwar ganze fünf Arbeitstage, um ein Visa zu erstellen. Aber die angeforderten 60 Tage bekam ich anstandslos.

An dem Tag, als ich auf der chinesischen Botschaft meinen Pass wieder abholte, hatte ich einen "Bangkok-Marathon" vor mir. Zuerst die chinesische Botschaft. Danach musste ich einen Laden finden, der meinen Pass und das neue Visa einscannen konnte, denn diese Unterlagen musste ich per Email an ein Reisebüro in "Chengdu" ("China") senden, damit diese für mich eine "Tibet"-Bewilligung beantragen und ein Zugticket nach "Lhasa" organisieren konnten. Als dies erledigt war, fuhr ich zur kasachischen Botschaft, welche sich am anderen Ende von "Bangkok" befindet.

Als ich nach langer Sucherei die Botschaft dann endlich im 43. Stockwerk des "JTC Buildings" im "Silom"-Quartier gefunden hatte, staunte ich nicht schlecht über die Grösse des Empfangraumes. Das war ein 3x3 Meter Glaswürfel mit zwei Türen. In diesem Raum stand ein Tisch und zwei Stühle. That's it. Naja, die erste Einstimmung auf russische Verhältnisse... ;-)

Auch nicht schlecht staunte ich, als ich von einem Beamten vorgeleiert bekam, was ich für den Visa-Antrag alles abzugeben hätte:

  • ein sauber ausgefülltes Antragsformular (auf welchem man sogar die Policennummer der Krankenkasse angeben musste),
  • 2 farbige Passfotos,
  • den Pass,
  • US$ 25.00 in bar,
  • einen handgeschriebenen Brief, welcher die Gründe des Besuchs in "Kasachstan" erläuterten,
  • einen Reiseplan, welcher eine detaillierte Reiseroute, die Aufenthaltsdauer und Unterkunft in jedem besuchten Ort, etc. enthielt.

Glücklicherweise hatte ich mein Guidebook für "Kasachstan" dabei, so dass ich mir etwas für meine Reisepläne zusammendichten konnte. Auch sonst hatte ich alles Benötigte mit mir, so dass ich nach 1.5 Stunden harter Schreiberei meine Unterlagen für den kasachischen Visa-Antrag abgeben konnte. Mit dem Hinweis, dass ich den Pass in fünf Tagen wieder abholen könnte, wurde ich sogar freundlich verabschiedet.

Unterdessen waren die thailändischen "Songkran"-Festivitäten vorbei. Überall strömten die Leute, welche während der Ferienzeit ihre Verwandten in ihren Heimatorten besucht hatten, wieder nach "Bangkok" zurück. So auch On, welche während dem "Songkran" ihre Familie im "Isan" besucht hatte. Im Schlepptau hatte sie bei ihrer Rückkehr dann allerdings dann gerade die ganze Familie, denn dieser wollte sie zeigen, wie und wo sie in "Bangkok" lebte. Gleichzeitig wollte sie mich ihrer Familie vorstellen. Es sollte einen kleinen Familienausflug an einem Dienstagnachmittag werden. Wohin es gehen sollte, hatte mir On nicht gesagt.

Als ich kurz vor Mittag bei On's Condo eintraf, lag die ganze Familie verteilt auf Bett, Boden und On's neuem Sofa im tiefen Mittagsschlaf. On hatte der Familie nur gesagt, dass ein Freund mitkommen würde. Als sie aufwachten und einen "Falang" vor sich stehen hatten, waren sie dann doch ein bisschen erstaunt. Die Begrüssung war kurz, denn niemand ausser On sprach Englisch. Und ich spreche ja nur ein paar Worte Thai. Wir begaben uns zum Familien-Pickup, wo On, zwei ihrer Stiefbrüder und ich uns auf der Ladefläche einrichteten, weil nicht alle in der Führerkabine Platz hatten. On meinte, dass die Fahrt ans Meer (ach so, wir gingen ans Meer!) schon etwa eine Stunde dauern würde. Bei 40°, blauem Himmel und brennender Sonne war eine Stunde auf der Ladefläche des Pickups ohne Sonnenschutz gerade noch auszuhalten. Als dann aus der Stunde ganze 3.5 Stunden und über 200 km wurden, fand ich bzw. meine unterdessen roten Füsse es dann allerdings nicht mehr so lustig. Kurz vor 16:00 parkierte der Vater den Pickup an einem von On gewünschtem, überfüllten Strand in "Cha Ma". Nach 3.5 Stunden Fahrt blieben gerade noch ein bisschen mehr als zwei Stunden bis die Sonne untergehen würde.

Da alle hungrig und durstig waren, setzten wir uns unter ein paar Sonnenschirme und bestellten massenhaft Thai-Gerichte. Während des Essens fragte mich dann die Mutter von On, ob ich mich nicht schämen würde mit ihren Affen am Tisch zu sitzen, denn nicht jedes Familienmitglied hatte die stubenreinsten Tischmanieren. Aber mir war es recht, denn es liess meinen "Faux-pas" mit einem ausgeleerten Bierglas kurz nach dem Hinsetzen ein wenig kleiner erscheinen... ;-)

Nach dem Essen war dann schwimmen angesagt. Ausser für On und den ältesten Bruder war es für alle jungen Familienmitglieder das erste Mal, dass sie sich im Meer badeten. Das war lustig zum zuschauen. Nach Sonnenuntergang machten wir uns dann wieder auf die laaaaange Rückfahrt...

Zwei Tage später, als der grösste Teil von On's Familie wieder nach Hause gereist war, machte ich mich erneut auf den Weg zu ihrem Condo. Dieses Mal allerdings mit vollem Gepäck, denn On hatte mich eingeladen meine letzten zwei "Thailand"-Wochen mit ihr zu verbringen. On lebt in einem Aussenquartier von "Bangkok", welches etwa eine 40-minütige Busfahrt von der am nächsten gelegenen Metro-Station entfernt liegt. Dies versprach eine etwas andere "Bangkok"-Erfahrung zu werden.

Es war eine ziemliche Umstellung plötzlich nicht mehr dauernd packen zu müssen, den Müll herunter zu tragen, die Wäsche selber zu waschen, den Zimmerboden zu fegen, etc. Auch die Tatsache, das man plötzlich wieder auf jemanden Rücksicht nehmen musste, war am Anfang nicht so einfach. Aber es klappte trotzdem recht gut.

On hatte die Lage ihres Condos gut ausgesucht. Innerhalb von zwei Gehminuten war alles wichtige erreichbar. Ein Markt mit zahlreichen Essständen, ein "7-eleven", ein "Tesco Lotus Convenience Store", zahlreiche Beauty-Salons, die Post, die Polizei, eine Busstation, ein Fotogeschäft, zwei Internet Cafés. Und einen grossen "Carrefour" erreichten wir in zehn Gehminuten. Weniger toll war, dass in On's Quartier mind. 10% der geschätzten Million von Bangkok's streuenden Hunden zu leben schienen. Überall wo man hinschaute, sah man einen hässlichen Köter herumliegen... :-( Dafür sah ich aber zwei Wochen lang keinen einzigen Falang in diesem Quartier. Die sah ich nur, wenn ich ins Zentrum von "Bangkok" ging.

Unser Tagesablauf war ziemlich einfach. On ging um 09:00 zur Schule, um ihre Zweitausbildung als Kosmetikerin fortzuführen. Ich verbrachte den Tag entweder im Internet oder machte verschiedene Besorgungen im Zentrum von "Bangkok". Wenn dann On am späteren Nachmittag von der Schule zurück kam, gingen wir gemeinsam unser Nachtessen auf dem Markt einkaufen. Jedesmal kauften wir viel zu viel thailändische Köstlichkeiten, so dass wir uns nach dem Essen jeweils mit vollen Bäuchen fast nicht mehr vom Sofa bewegen konnten.

Wenn On nicht zur Schule musste, unternahmen wir gemeinsam etwas. Shopping im Zentrum, Besuch des Museums mit den königlichen Booten, Ausgang an verschiedenen Orten, etc. Ich kenne mich unterdessen ziemlich gut in "Bangkok" aus, und On staunte manchmal nicht schlecht, wenn ich sie durch ihre eigene Stadt führte... ;-) Ich staunte allerdings auch nicht schlecht, als sie mir erzählte, dass sie mit mir das erste Mal ein Passagierboot auf dem "Chao Phraya" genommen hatte, dass sie das erste Mal mit der MRT (Untergrundbahn) gefahren war, sowie das sie das erste Mal in der berühmt berüchtigten RCA (Royal City Avenue) in den Ausgang gegangen war.

Nachdem die fünf von der kasachischen Botschaft erwähnten Tage verstrichen waren, ging ich wieder dorthin zurück, um meinen Pass mit dem Visa abzuholen. Wegen angeblicher Arbeitsüberlastung war mein Visa aber noch nicht erstellt worden. Arbeitsüberlastung in der Visa-Abteilung der kasachischen Botschaft?! Wenn die pro Tag zehn Visa erstellen müssen, ist das wahrscheinlich schon eine grosszügige Schätzung. Mir wurde gesagt, dass ich in ein paar Tagen anrufen sollte, um mich über den Status meines Visas zu erkundigen. Um die Geschichte hier ein wenig abzukürzen: Nach vollen neun Tagen war dann mein Visa erstellt, und ich konnte meinen Pass wieder abholen gehen. Anbei meine bisherigen Visa-Erfahrungen:

  • Visa für "Indonesien" in "Denpasar": On Arrival (US$ 25)
  • Visa für "Kambodscha" in "Bangkok": 4 Stunden (Baht 1'100)
  • Visa für "Philippinen" in "Bandar Seri Begawan": 1 Tag (BR$ 40)
  • Visa für "Laos" in "Phnom Penh": 2 Tage (US$ 30)
  • Visa für "Thailand" in "Vientiane": 4 Tage (wegen dazwischen liegendem Wochenende, ansonsten 2 Tage, Baht 1'000)
  • Visa für "Venezuela" in "Bern": 4 Tage (inkl. Postweg, CHF 40)
  • Visa für "China" in "Bangkok": 5 Tage (Baht 1'100 Baht)
  • Visa für "Kasachstan" in "Bangkok": 9 Tage (US$ 25)

Die zwei Monate in "Thailand" gingen sehr schnell vorüber. Nach wie vor ist "Thailand" eines meiner favorisierten Reiseländer. Allerdings haben mir die vergangenen zwei Monate auch manche Einblicke gewährt, welche mich "Thailand" bzw. die thailändische Gesellschaft in einem anderen Licht betrachten lassen.

  • Thailändische Gesprächsthemen: Das Gesprächsthema Nummer Eins in "Thailand" ist Geld. Geld, Geld, Geld, Geld.... :-( Natürlich spielt Geld in allen Ländern eine wichtige Rolle. Ein so geldfixiertes Volk wie die Thailänder habe ich allerdings noch nie gesehen. Zweitwichtigstes Thema ist die Lästerei über andere. An nichts und niemandem wird ein gutes Haar gelassen. Und etwas jemandem gegönnt wird nur im engsten Familien- und Freundeskreis. Ansonsten muss darüber diskutiert werden, warum jemand anderes sich etwas kaufen konnten, was man sich selber nicht leisten konnte.
  • Rassismus: Thailänder sind Rassisten. Je hehler die Hautfarbe desto besser. Dunkelhäutige Thailänder (meist aus der armen Gegend "Isan" kommend) sind die unterste Schicht der thailändischen Gesellschaft und haben wenig Chancen gute Jobs zu finden bzw. in der thailändischen Gesellschaft aufzusteigen. Falangs (Leute aus dem Westen) werde als separate Gesellschaft betrachtet, und haben keine Chance sich komplett in die thailändische Gesellschaft zu integrieren, weil sie immer als Ausländer betrachtet werden. Nicht selten bekommt man dies als Ausländer auch zu spüren. Allerdings nicht in den Touristengebieten. Dort bekommt man vorwiegend zu spüren, dass man als Geldautomat betrachtet wird.
  • Thailändische Frauen/Männer: Ich muss hier mal ein Loblieb auf die thailändischen Frauen loswerden: so stark, so fleissig, so hart im nehmen und dabei doch oft so schön, so graziös und unterhaltsam... ;-) Ich bin der Meinung, dass "Thailand" ohne seine Frauen definitiv nicht dort wäre, wo es heute ist. Denn oft, wenn irgendwo etwas funktioniert, zieht im Hintergrund eine Frau an den richtigen Fäden. Natürlich habe ich auch nette, fleissig und interessante thailändische Männer kennengelernt. Allerdings ist mein allgemeines Bild der thailändischen Männerwelt ein wenig gestört. Anbei eine kleine Anekdote. On und ich waren an einem Sonntagmorgen um 08:30 noch am schlafen, als einer ihrer Stiefbrüder unangekündigt und betrunken vor der Tür stand. Als ihn On hereingelassen hatte, drehte er zuerst einmal die Musikanlage voll auf. Als er davon genug hatte, ging er ins Badezimmer, um sich zu duschen. Zum abtrocknen verwendete er dann mein Badetuch. Danach strich er sich von Kopf bis Fuss mit On's Bodylotion ein. Als nächstes waren dann die Fuss- und Fingernägel an der Reihe. Er entfernte mit On's Nagellackentferner die violete Farbe und strich alle zwanzig Nägel neu mit On's braunem Nagellack. Danach schnappte er sich einen Plastiksack und packte aus On's Vorratschrank Lebensmittel für die nächsten drei bis vier Tage zusammen. Bis jetzt hatte er nicht ein einziges Mal gefragt, ob das was er tat für On auch Ok war. Zum Abschluss hatte er dann auch noch die Frechheit On um 500 Baht zu bieten. Als sie ihn fragte, wo die 500 Baht wären, welche er ein paar Tage zuvor von seiner Mutter erhalten hatte, war er zumindest ehrlich. Er hatte sie natürlich versoffen. Die junge, thailändische Männerwelt scheint in einer echten Identitätskrise zu stecken. Nirgendwo anders sieht man so viel männliche Transsexuelle wie in "Thailand". Und nicht selten fragt man sich, welches Geschlecht die junge Person hat, welche vor einem steht. Viele junge Männer kleiden und frisieren sich so weiblich, dass man oft erst auf den zweiten Blick sieht, was man vor sich hat. Diejenigen Thailänder die Männer geblieben sind, sind aber teilweise solche Machos, dass sogar mancher Lateinamerikaner dagegen erblassen könnte. Geifernde Blicke und anzügliche Bemerkungen in einer Strasse, wenn eine schöne Frau vorbei läuft, sind an der Tagesordnung. Natürlich arbeiten auch in "Thailand" die Männer. Wenn sie allerdings die Wahl haben, dann lassen sie lieber die Frauen arbeiten und schauen bei einem kühlen Bier zu. Keine Ahnung, ob das folgende repräsentativ ist. Aber ich habe so viele Geschichten von Untreue und von Vätern, welche sich aus der Verantwortung stehlen, gehört, dass mir dies ebenfalls als schlechter Charakterzug der thailändischen Männerwelt erscheint.
  • "Das Land des Lächelns": Nach wie vor ist "Thailand" das "Land des Lächelns". Aber bilde Dir nie ein zu wissen, was im Kopf mit dem süssen Lächeln vor sich geht. Mit grösster Wahrscheinlichkeit etwas anderes als Du Dir vorstellst.

So, genug gelästert... ;-) Die zwei Wochen bei On vergingen leider wie im Fluge. Schon bald war es wieder an der Zeit meine Sachen zu packen. Ich hatte mich entschieden, dass ich meinen Trip durch "Nordost-" und "Zentralasien" nur noch mit Leichtgepäck mache werde. Meinen grossen Rucksack liess ich in "Bangkok" zurück. Alles Notwendige musste in meinen 35-Liter-Rucksack passen. Vorbei mit der Schlepperei... ;-) Es hat lange gedauert, bis ich es gelernt hatte... :-(

Ein paar Tage vor meiner Abreise las ich im Internet, dass eine idiotische Aktion von fünf Amerikanern schlimme Auswirkungen auf meine Reisepläne in "Tibet" hatte. Die Agenturmeldung vom 27. April 2007 liest sich wie folgt:

US-Bürger nach Protest gegen Fackellauf ausgewiesen

Peking (dpa) - China hat fünf US-Bürger ausgewiesen, die am Basislager des Mount Everest gegen den geplanten olympischen Fackellauf durch Tibet und auf den höchsten Berg der Erde protestiert hatten.

[...]

Die Aktivisten hatten auf einem Banner das Motto der Olympischen Spiele 2008 in Peking um die Forderung nach Unabhängigkeit Tibets erweitert: "Eine Welt, ein Traum, befreit Tibet 2008." [...] Exiltibeter beklagen, dass mit dem am Vortag verkündeten Fackellauf durch Tibet die chinesische Fremdherrschaft anerkannt werde.

Chinesische Truppen hatten Tibet 1951 besetzt. Nach der Flucht des Dalai Lamas, des geistlichen Oberhauptes der Tibeter, 1959 ins Exil nach Indien wurde die Region in den 60er Jahren der Volksrepublik angegliedert.

Aufgrund dieser Aktion hatten die Chinesen "Tibet" für Touristen nahezu geschlossen. Die Angaben im Internet zu den verbleibenden Reisemöglichkeiten in "Tibet" waren aber extrem wiedersprüchlich. Mein Flug war gebucht und mein "Thailand"-Visa aufgebraucht. Mir blieb nichts anderes übrig, als mir in "China" vor Ort ein Bild zu machen. Mehr lest ihr dann natürlich im nächsten Bericht...