Freitag, 15. Juni 2007

Bericht 076 (08.06.07 bis 13.06.07)

Link zum aktuellen Foto-Set: Varanasi, Khajuharo und Orchha

Am Freitagmorgen ging es schon wieder um 07:00 weiter. Meine Reise sollte mich an diesem Tag von "Buddha's" Geburtsort "Lumbini" in "Nepal" zur heiligsten, hinduistischen Stadt "Varanasi" am "Ganges" in "Indien" führen.

Schon nach einer halben Stunde erreichte ich die nepalesisch, indische Grenze bei "Bhairawa"/"Sungauli". Die Grenzformalitäten liefen auf beiden Seiten reibungslos über die Bühne, und auch das restliche nepalesische Geld konnte ich zu einem für Grenzverhältnisse erstaunlich guten Kurs wechseln. Danach hiess es dann allerdings eine geeignete Fahrtgelegenheit zu finden. Wie in "Indien" nicht anders zu erwarten war, wurde ich von mehreren Dutzend Leuten umringt, die anfingen auf mich ein zu schreien und an mir zu zehren. Ich entschied mich für einen alten Jeep, der in die nächst grössere Stadt "Gorakhpur" fuhr. In diesem Fahrzeug hatte es Platz für elf Personen. Allerdings waren drei Plätze durch den Fahrer und zwei Helfer besetzt. Warum es in "Indien" drei Leute für ein so kleines Fahrzeug braucht, war mir nicht wirklich einleuchtend. Auf jeden Fall schafften es die zwei Helfer zuerst mit ein paar indischen Fahrgästen in Streit zu geraten. Danach zerstritten sie sich die beiden unter einander dermassen, dass der Fahrer anhalten musste und einen der beiden rausschmiss.

Drei Stunden später und um die ersten "Indien"-Erlebnisse bereichert, kam ich dann beim Bahnhof von "Gorakhpur" an. Von hier aus wollte ich mit dem Zug weiterreisen. Als ich die riesige Schalterhalle betrat, war so ziemlich das Erste, was ich erblickte, ein grosses Schild mit der Aufschrift "May I help you?". Und darunter stand in kleinen Buchstaben "Tourist Information". Das war ein willkommenes Zeichen, hatte ich doch keine Ahnung wie in "Indien" das Zugfahren funktionierte. Eine etwas ungeduldige Inderin an diesem Info-Stand erklärt es mir dann. Sie bot mir ausserdem an, für zusätzliche 10 Rupien (ca. US$ 0.25) für mich das Ticket zu besorgen. Als ich daraufhin zu den Ticketschaltern mit den ewig-langen Schlangen hinüber schaute, fiel die Entscheidung nicht wirklich schwer. Nach fünf Minuten hatte sie das Ticket besorgt, und ich konnte mich daran tun, die nächsten zwei Stunden bis zur Abfahrt meines Zuges tot zu schlagen. Aus lauter Langeweile hatte ich sogar Zeit telefonisch in "Varanasi" ein Zimmer in einem Gasthaus zu reservieren. Wie sich später herausstellen sollte, ein weise Entscheidung

Kurz vor der indisch, nepalesischen Grenze hatte ich die letzten Ausläufer des "Himalaya"-Gebirges hinter mir gelassen und war wieder auf einer Höhe von ca. 250 M.ü.M. angekommen. Hier hatte die Monsunzeit noch nicht begonnen. Es herrschte immer noch die Trockenzeit. Am Tag meiner Ankunft wurden in "Gorakphur" 44.8° Celius gemessen (siehe auch Artikel in der NZZ). Ein bisschen heiss... ;-)

Die fünfstündige Zugfahrt im 2.-Klassewagen nach "Varanasi" verlief abgesehen von der Hitze und den gegenübersitzenden, nervtötenden Indern, die einem unentwegt anstarrten, als hätten sie das erste Mal einen Weissen gesehen, problemlos. Vom Bahnhof in "Varanasi" liess ich mich von einem Rickshaw-Fahrer an den "Ganges", wo es zahlreiche Gasthäuser gab, fahren. Nachdem ich den Fahrer bezahlt hatte, war ich noch keine 30 Meter gelaufen, als sich mein erster indischer "Tout" (engl. für Werber, Schlepper; im Tourismusjargon jemand, der Touristen zu denjenigen Hotels, Restaurants, Reisebüros etc. führt, welche ihm die besten Kommissionen bezahlen; selbstverständlich wird schlussendlich die Kommission in Form überhöhter Dienstleistungspreise vom Touristen bezahlt) an meine Fersen gehaftet hatte. Vielleicht gar nicht so schlecht. So konnte ich gerade an meinem ersten Tag ein wenig ausprobieren, wie mit diesen Kreaturen am besten umzugehen war. Spasseshalber ging ich in ein Hotel. Gerade als ich durch den Hoteleingang laufen wollte, zwängte er sich an mir vorbei, sagte etwas zum Rezeptionisten und verschwand wieder. Wie nicht anders zu erwarten waren die Zimmerpreise für mich etwa 30% teurer als wie in meinem Guidebook angegeben, und dies trotz Tiefsaison. Und zu verhandeln gab es nichts. Ich lehnte die Angebote dankend ab. Vor dem Hotel wartete der "Tout" und verfolgte mich weiter. Weder die freundliche Bemerkung, dass ich seinen Service nicht benötigen würde, noch der Hinweis, dass ich schon eine Hotelreservation hatte noch ein unfreundliches und wohlverstandenes "Piss off!" fruchteten bei diesem hartnäckigen Idioten. Das dauernde Hinterherlaufen ging mit der Zeit dann doch extrem auf die Nerven, so dass ich mich entschied, die Pfeife zu verarschen. Ich suchte mir ein anständiges Restaurant aus und setzte mich an einen Tisch. Unterdessen war es schon 21:00. Da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, wurde es ein langes, und ausgiebiges Nachtessen. Nach über einer Stunde schulterte ich wieder meinen Rucksack und verliess das Restaurant. Mein "Tout" hatte die ganze Zeit gewartet. Naja, sein Problem. Ich lief zu dem Hotel, wo ich reserviert hatte. Auch dort wieder das gleiche Spiel. Vor mir ins Hotel rein, etwas zum Rezeptionisten sagen, und draussen wieder warten. Ich hatte ihm ja gesagt, dass ich reserviert hatte. Er musste halt ohne Kommission wieder abziehen.

Am nächsten Tag machte ich mich auf einen kleinen Spaziergang entlang des "Ganges". Der "Ganges" ist für die "Hindus" der heiligste Fluss. Sich in "Varanasi" darin zu waschen, an dessen Ufer kremiert zu werden oder an einem der zahlreichen Hindu-Ritualen am Ufer teilzunehmen, ist für viele Hindus sehr wichtig. Ich persönlich würde dort nicht einmal meinen grossen Zehen ins Wasser halten. In der heissen Trockenzeit ist der Fluss nicht viel mehr als ein stinkendes Rinnsal, eine Mischung aus Fluss- und Abwasser. Ausserdem werden in "Varanasi" die Überreste von ca. 300 Kremationen pro Tag in den Fluss gekippt. Diejenigen Verstorbenen, welche gemäss der hinduistischen Lehre nicht kremiert werden dürfen (z.B. schwangere Frauen, Unfallopfer, an Kobrabissen Verstorbene, etc.) werden mit Steinen befestigt und in der Flussmitte versenkt. Naja, die Inder stört das nicht. Da wird gebadet, geplanscht...

Um viel mehr zu machen war ich an diesem Tag zu schwach, denn der Hitze von über 45° Celsius musste ein gewisser Tribut gezollt werden. Gegen Abend schaffte ich es dann allerdings noch, mir beim Bahnhof ein Ticket für die Weiterreise am nächsten Tag zu organisieren. Ich hatte ziemliches Glück, dass ich noch das zweitletzte Bett im Nachtzug reservieren konnte.

Am Sonntag hatte ich mich dann schon besser an die Hitze gewöhnt, und ich setzte die Erkundung der "Ganges"-Region fort.

Mein Zug nach "Satna" sollte an diesem Tag um 23:35 fahren. In der Erwartung, dass ich im klimatisierten Büro für Touristentickets warten könnte, war ich schon um 20:45 am Bahnhof. Dummerweise hatte das Büro aber schon um 20:00 geschlossen. Ich musste also mit ca. 5'000 Indern in der stinkenden Wartehalle warten. Touristen hatte es fast keine. Aber fünf blond- bzw. rothaarige Däninnen fielen in der Masse ziemlich auf. Es stellte sich heraus, dass ich mit zwei von ihnen das Zugabteil teilen würde.

Um 23:00 erfuhren wir, dass unser Zug 30 Minuten Verspätung hatte. Um 00:30 war unser Zug immer noch nicht angekommen. Dafür gab es einen 30-minütigen, heftigen Wolkenbruch. Die Dächer waren natürlich nicht dicht und das auf den Dächern angesammelte Regenwasser stürzte in die Wartehallen und die Bahnsteige. Nach 10 Minuten stand der Bahnhof teilweise bis zu 5 cm unter Wasser. Wobei Wasser vielleicht ein etwas zu geschönter Ausdruck ist. Das war eher eine Mischung aus Wasser, Dreck, Abfall und Kuhscheisse. Ja, in "Indien" laufen die Kühe auch im Bahnhof herum. Zum guten Glück hatte ich meine Schuhe und nicht meine Sandalen an... ;-)

Mit 3.5 Stunden Verspätung kam dann unser Zug dann um 03:00 doch noch. Der Sturm der Inder auf den Zug war ziemlich übel. Drücken, stossen, drängeln, schreien... :-(

Ich war so müde dass ich fest und tief bis um 09:00 durchschlief. Zum guten Glück weckte uns der Schaffner kurz bevor wir "Satna" erreichten. Von dort nahmen wir einen Bus der uns fünf Stunden über extrem schlechte Strassen bis nach "Khajuraho" schaukelte. Die Stadt ist bekannt für seine gut erhaltenen Tempelanlagen mit kunstvoller Steinhauereien, welche zum Teil über 1'000 Jahre alt sind. Interessant ist ausserdem, dass die Tempel zahlreiche kamasutrische Steinbilder beinhalten... ;-) (siehe Fotos)

Ich besichtigte die Tempel schon am frühen Morgen des nächsten Tages, bevor die grosse Hitze kam. Ich muss sagen, dass war etwas vom Feinsten, was ich betreffend alten Tempelanlagen bis anhin gesehen hatte. Faszinierend...

Am nächsten Tag ging die Reise weiter. Eigentlich sollte mein nächster Stop "Agra" sein. Das wäre aber eine 10-stündige Busfahrt gewesen, und dies wollte ich mir aber bei ca. 45° Celsius und unklimatisierten Busen nicht antun. Ich hielt deshalb auf halbem Weg in der kleinen Ortschaft "Orchha". Dort gab es einen grossen Palast ("Jehangir Mahal", 16. Jh.) und zahlreiche Tempel zu besichtigen. Leider war der Palast in einem ziemlich erbärmlichen Zustand. Zwar waren Restaurationsarbeiten im Gange. Aber was nützt es, wenn die Arbeiter den einen Ecken restaurieren, während sie den anderen für ihre Notdurft verwenden.... :-(