Freitag, 19. Oktober 2007

Bericht 093 (05.10.07 bis 17.10.07)

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Am Freitagmorgen um 09:00 startete unsere 12-tägige Tour durch die Zentralmongolei und die "Gobi-Wüste". Mit von der Partie war ein neuseeländisches Pärchen (Rob [29] und La Reve [27], wie sich später herausstellen sollte allerdings mehr "sorcière" als "rêve"), ein junger Schotte (Andrew [21]) und ein rotbärtiger Franzose (Erik [28]). Nema, unser 38-jähriger, mongolischer Fahrer holte uns mit einem uralten, russischen Fahrzeug ab. Das war wahrscheinlich der Preis, wenn man für unter US$ 200.00 pro Person auf eine 12-tägige Tour geht.

01. Tag (05.10.07): Von Ulaanbaatar nach Ögii Nuur (356 km / 9 h)

Uns wurde gesagt, dass die ersten zwei Tage viel Fahren und relativ wenig Sehenswürdigkeiten beinhalten würden. Bei leider grauem Himmel fuhren wir über acht Stunden durch die mongolische Einöde, bis wir endlich das erste Highlight erlebten. Kurz vor dem Erreichen des ersten Nachtlagers in der Nähe des See "Ögii Nuur" hätten wir eine Holzbrücke überqueren sollen. Die Brücke war aber blockiert, weil ein betrunkener Mongole es nicht geschafft hatte die Rampe hoch zu fahren. Er war rückwärts wieder herunter gerollt und hatte seinen Lieferwagen auf das Holzgeländer gesetzt, so dass er festgefahren war. Glücklicherweise hatte es in der Nähe der Brücke noch ein paar Jurten, so dass nach einer halben Stunde Wartezeit dann mit uns Touristen 15 Männer den Lieferwagen von diesem Geländer heben konnten. Natürlich war unterdessen auch die Batterie des Lieferwagens leer, so dass wir ihn auch noch anschieben durften. Der Beste kam aber am Schluss. Der betrunkene Fahrer verlangte von uns ziemlich aggressiv Vodka. Gegen 20:00 kamen wir dann endlich bei unserer ersten Jurte an. Als wir unser Gepäck in die Jurte trugen, fanden wir auch heraus, wieso es den ganzen Tag bewölkt gewesen war. Der Winter war hereingebrochen, und es begann heftig zu schneien. In der Jurte hatte es zwar einen Ofen, aber nach einer Stunde war das Holz, welches wir von der Gastgeberfamilie erhalten hatten, aufgebraucht. Das wurde eine der kältesten Nächte auf meiner Reise.

02. Tag (06.10.07): Von Ögii Nuur nach Terkhiin Tsagaan Nuur (White Lake) (320 km / 10 h [davon 2.5 h Panne])

Als wir am nächsten Morgen ziemlich steif und definitiv nicht ausgeschlafen vor die Jurte traten, sahen wir eine eingeschneite Landschaft. Die Fahrt ging weiter. Selbstverständlich funktionierte die Heizung in unserem russischen Fahrzeug nicht, so dass zumindest meine Zehen sich weiterhin wie Eisklötze anfühlten. An diesem Tag gab es auf der Fahrt etwas mehr Sehenswürdigkeiten zu sehen. Eine Passhöhe ("Örö Pass [2212 m.ü.M.]"), eine Schlucht ("Chuluut Gorge") und ein heiliger Baum ("Zuun Salaa Mod"). Am späteren Nachmittag kam dann endlich die Sonne hervor, und wir bekamen das zu sehen, für was die "Mongolei" unter anderem so bekannt ist: blauer Himmel. Gegen 16:30 hatten wir dann die nächste Überraschung. Unser Fahrzeug blieb stehen. Nachdem Nema (unser Fahrer) eine Stunde herum geschraubt hatte, schickte er zwei der Touristen mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug schon einmal zu unserem Camp. Rob, Andrew und ich mussten noch 1.5 Stunden länger ausharren, bis er den Motor mit einem Ersatzteil von einem weiteren, vorbeifahrenden Fahrzeug plötzlich wieder zum laufen bekam. Gegen 20:00 trafen dann auch wir in unserer Jurte ein. Wie unser Fahrer das Ziel in der Nacht gefunden hatte, wird mir immer ein Rätsel bleiben. In der Jurte wurden wir positiv von ein halbwegs bequem aussehenden Bett und einer vollen Kiste Feuerholz überrascht. Ausser dass inmitten der Nacht ein Teil meines Bettgestelles auseinander fiel, schlief ich in dieser Nacht sehr gut.

03. Tag (07.10.07): Terkhiin Tsagaan Nuur (White Lake) (0 km / 0 h)

Wir erwachten am nächsten Morgen bei blaustem Himmel und grellem Sonnenschein. An diesem Tag war der einzige Ruhetag - sprich keine lange Autofahrt - vorgesehen. Wir konnten die Zeit nutzen um, um ein bisschen um den See ("Terkhiin Tsagaan Nuur") zu wandern, mit Pferden auszureiten oder uns auf andere Weise die Nasen ein wenig abzufrieren. Ich wollte mich am Morgen aber zuerst einmal ein wenig dem Wohlbefinden widmen. Körperhygiene steht bei der ländlichen Bevölkerung der "Mongolei" nicht wirklich sehr weit oben auf der Prioritätenlisten. Ausser einem Plumpsklo hatte die Gastgeberfamilie deshalb diesbezüglich nichts zu bieten. Mir erschien der See hingegen aber als eine gute Waschgelegenheit. Bei beissendem Wind und Wassertemperaturen nahe dem Gefrierpunkt werde ich es mir aber zukünftig zweimal überlegen, ob ich mich wirklich von Hals bis Fuss waschen gehen muss... ;-) Am späteren Nachmittag fuhr uns Nema zu ein paar nahegelegenen Lavasteinhöhlen und einem Vulkankrater. Nema hatte den Tag ausserdem dazu genutzt, das Auto wieder in Schuss zu bringen. Von nun an funktionierte die russischen Heizungen (an oder aus) wieder, und wir hatten auch keine Pannen mehr.

04. Tag (08.10.07): Von Terkhiin Tsagaan Nuur (White Lake) nach Kharkhorin (Karakorum) (300 km / 8 h)

Wieder bei blauem Himmel starteten wir am Montag zu einer langen Fahrt. Über die Fahrt selber gibt es nicht sonderlich viel zu erzählen, ausser dass wir wieder durch atemberaubende Landschaft fuhren. Das Highlight erlebten wir dann am Abend. Nachdem wir uns in einer Jurte in der Stadt "Kharkhorin" einquartiert hatten, sagten wir zu unserem Fahrer, dass wir gerne eine Dousche nehmen würden. Unsere Gastfamilie hatte auch tatsächlich eine Dousche. Die hatte allerdings nur kaltes Wasser. Die Alternative war das öffentliche Badehaus. Nema fuhr uns dorthin. Nachdem wir über zwei Gräben gesprungen und einem dreckigen, dunklen Pfad gefolgt waren, standen wir vor einer beleuchteten Tür. Die Leute hinter dieser Tür sagten uns aber, dass es erst am nächsten Tag wieder warme Douschen geben würde. Wir fuhren halt unvollrichteter Dinge wieder zur Jurte zurück. Nach dem Abendessen wollten wir dann halt eine kalte Dousche bei der Gastfamilie nehmen. Aber Nema wollte uns nicht douschen lassen. Bei den kalten Temperaturen war er um unsere Gesundheit besorgt. Er fing an zu telefonieren. Nach ein paar Minuten sagte er uns, dass er uns zu einem Touristen-Camp fahren würde, wo es heisses Wasser gibt. Nach einer 20-minütigen Fahrt standen wir dann in einem zwar schönen, aber eben ziemlich touristisch aussehenden Camp. Im Hauptgebäude gab es auch tatsächlich drei Douschen mit einem warmem Rinnsal. Der Spass kostete uns zwar US$ 2.00. Aber wieder einmal ein wenig aufzutauen und frisch zu riechen war schon nicht schlecht.

05. Tag (09.10.07): Von Kharkhorin nach Orkhon Khürkhree Wasserfall (150 km / 5 h)

Am Dienstagmorgen machten wir uns schon früh auf, um das Kloster "Erdene Zuu Khiid" ausserhalb der Stadt "Kharkhorin" zu besichtigen. Dies war ziemlich eindrücklich, weil der Baustil eine mongolisch, chinesisch und tibetische Mischung ist. Danach ging unsere Fahrt weiter bis nach "Khujirt", welches für seine heissen Quellen bekannt ist. Allerdings hielten wir nicht für ein Kurbad, sondern nur für eine Mittagspause. Die Fahrt ging weiter bis zum Wasserfall "Orkhon Khürkhree". Unterwegs sahen wir aber noch eine schöne Schlucht ("Üürmin Tohoi"). Die Jurte, welche wir bezogen, war nur gerade etwa 200 Meter vom Wasserfall entfernt, so dass wir bei den eisigen, bissigen Winden sowohl für den Sonnenuntergang als auch für den Sonnenaufgang jeweils nicht weit laufen mussten. Am Abend erhielten wir dass erste Mal eine ziemlich wohlschmeckende Mahlzeit. Keine Selbstverständlichkeit, denn in der "Mongolei" ist das Essen meistens ziemlich fade.

06. Tag (10.10.07): Von Orkhon Khürkhree nach Arvaikheer (150 km / 5 h)

Am Mittwoch standen nur 150 km auf dem Programm. Wir hatten deshalb genügend Zeit, um den Sonnenaufgang am Wasserfall zu beobachten, ein gutes Frühstück zu kochen und ein paar süsse Kinder zu fotografieren. Die Fahrt führte an diesem Morgen durch eine ganz andere Landschaft. Wälder mit gelben Blättern und Nadeln hatten wir bis an hin nicht zu Gesicht bekommen. Die Mittagspause machten wir in der Nähe der Stadt "Uyanga" an einem kleinen Fluss. Als wir mit dem Essen schon fast fertig waren, sahen wir, wie in der Nähe ein Toyota-Pickup mit einer riesigen Holzladung bei der Flussdurchquerung stecken blieb. Die armen Leute mussten die Schuhe ausziehen und durch das eisige Wasser ans Ufer laufen. Bald standen sie dann bei uns und baten unseren Fahrer um Hilfe. Da aber weder er noch sie ein Abschleppseil hatten, musste dies zuerst organisiert werden. Kein Problem in einem Land, wo jeder jedem hilft. Ein unterdessen ebenfalls hinzugekommener Motorradfahrer fuhr den Pickup-Fahrer zur nächsten Jurte. Zurück kamen sie mit einem alten, ausgefransten Drahtseil. Die ersten drei Versuche, den Toyota aus dem Fluss zu ziehen, scheiterten aber, weil entweder das Drahtseil nicht richtig befestigt werden konnte oder an den Enden riss. Den Leuten blieb nichts anderes übrig, als die Holzladung von Hand durch das eisige Wasser an das Ufer zu tragen. Danach war dann aber der nächste Abschleppversuch erfolgreich. Dummerweise hatten die Männer aber das Holz nicht ans Ufer getragen, sondern nur auf eine kleine Insel. Deshalb mussten sie das Holz noch einmal durch das eisige Wasser zu ihrem geretteten Pickup tragen. Unglaublich, aber war. Unterdessen waren zwei weitere Motorradfahrer hinzugekommen. Und die packten beim Neubeladen kräftig mit an. Als dann der Pickup wieder beladen war, hatten wir währenddessen einen Topf heissen Tee für die Leute gekocht. Die Leute waren so super-glücklich, dass unser Fahrer erstens ihren Wagen aus dem Fluss gezogen hatte, und dass sie zweitens einen wärmenden Tee erhalten hatten, dass wir etwa 20 Mal Hände schütteln mussten und etwa 100 erhobene Daumen zu sehen bekamen... :-) Nach einer weiteren Stunde Fahrt erreichten wir unsere nächste Jurte in der Stadt "Arvaikheer". In dieser Stadt sollten wir für die nächsten vier Tage das letzte Mal Gelegenheit haben, unsere Kamerabatterien zu laden, unsere Essvorräte aufzufüllen und uns zu waschen. Ja, waschen. Auch dieses Mal fuhren wir für eine Dousche wieder zum öffentlichen Badhaus. Und es war auch tatsächlich geöffnet. Für CHF 1.20 sollten wir eine heisse Douschen erhalten. Zuerst mussten wir uns aber mit vorwiegend weiblichen Einheimischen in eine Reihe stellen, bis ein Douschraum frei wurde. Mein Douschraum glich dann mehr einer tropfenden Gefängniszelle als einer Nasszelle. Aber der heisse, starke Douschstrahl war wirklich eine Wohltat.

07. Tag (11.10.07): Von Arvaikheer nach Khongoryn Els (330 km / 8.5 h)

Bei grauem Himmel und Schneesturm ging unsere Fahrt am Donnerstag schon um 08:00 los. Über die fast neunstündige Fahrt gibt es eigentlich nur zwei Dinge zu erzählen. Die unterdessen verschneiten und teilweise vereisten Pfade machten das Vorwärtskommen nicht gerade einfach. Einmal kam unser russisches Gefährt so gefährlich ins Schleudern, dass unser Fahrer nur noch ganz knapp einen Überschlag verhindern konnte. Im Verlauf des Nachmittages erreichten wir dann die Übergangszone zwischen der mongolischen Zentralsteppe und der "Gobi-Wüste". Die Landschaft wurde noch einöder und lebensfeindlicher. Nur noch ganz selten sahen wir eine Jurte. Dafür bekamen wir aber die ersten "Bactrian"-Kamelherden (Zweihöckrige Trampeltiere) zu Gesicht. Gegen Abend erblickten wir dann in der Ferne die riesigen Sanddünen von "Khongoryn Els". Ganz in der Nähe konnten wir wieder eine Jurte beziehen. Leider wurde uns aber kein Feuerholz zur Verfügung gestellt. Wir mussten deshalb zuerst einmal beim restlichen Tageslicht die überall herumliegende, getrocknete Kamelscheisse einsammeln, damit wir in der anstehenden, kalten Nacht nicht zu stark frieren mussten. Zu meiner Überraschung produzierte das Zeug eine angenehme Wärme und verbreitete in unserer Jurte nicht einmal einen schlechten Geruch... ;-) Weil die Sanddünen so vielversprechend aussahen, vereinbarten wir mit Nema, dass wir am folgenden Tag einen zusätzlichen Ruhetag einschieben würden.

08. Tag (12.10.07): Khongoryn Els (0 km / 0 h)

Am Freitagmorgen stand ich schon um 06:00 auf. In der Dunkelheit lief ich eine Stunde bis zu den Sanddünen. Leider war dann aber der Sonnenaufgang von einer Wolke verdeckt. Etwas später lief ich eine weitere Düne hinauf, als die Sonne plötzlich doch noch hinter der Wolke hervor kam. Es war, als hätte jemand den Lichtschalter gedrückt. Die Farben, die sich mir in diesen Sanddünen mit dem Licht der Morgensonne boten, waren sehr eindrücklich. Als ich wieder in die Jurte zurück kam, hatte sich diese unterdessen in ein Feldlazarett verwandelt. Ausser Rob und mir waren alle krank. Nachdem ich mich wieder aufgewärmt und mit einem selbstgekochten Mittagessen gestärkt hatte, lief ich am frühen Nachmittag zum zweiten Mal zu den Sanddünen. Gegen Abend stand dann sogar noch Besuch nur Drei auf dem Programm. Dieses Mal musste ich aber nicht hinlaufen. Wir ritten auf Kamelen zu den Dünen. Mit der untergehenden Sonne waren die Sanddünen am schönsten.

09. Tag (13.10.07): Von Khongoryn Els nach Bayanzag (170 km / 4 h)

Gegen 08:00 erwachte ich gut ausgeschlafen. Es war die erste Nacht gewesen, in welcher ich nur einmal aufgewacht war. Ansonsten war ich jede Nacht wegen Kälte, harten oder durchgehangenen Betten oder zur Toilette gehenden, weinenden, kotzenden, schnarchenden, hustenden und furzenden Mitreisenden jeweils mehrmals pro Nacht aufgewacht. Draussen erwartete mich blauester Himmel. Nach einem selbstgekochten Frühstück (die Familien stellten uns normalerweise nur eine Kanne heisses Wasser und ein paar Scheiben Brot in die Jurte) ging die Fahrt weiter. So durch die öde, fast unbewohnte Landschaft der "Gobi-Wüste" bei aller blausten Himmel zu fahren war faszinierend. Schon am frühen Nachmittag erreichten wir unser nächstes Ziel. Die "flammenden Klippen von Bayanzag". Bekannt ist dieser Ort einerseits wegen der roten Farbe der Klippen. Andererseits wurden an diesem Ort zahlreiche Dinosaurierüberreste gefunden (siehe auch "Roy Chapman Andrews"). Ganz in der Nähe quartierten wir uns später wieder in einer Jurte ein. Die Familie überliess uns ihre eigene Jurte und zügelte temporär in eine kleinere, weniger bequeme Jurte. So erhielten wir quasi ihr Wohnzimmer mit Ahnenfotos, "Buddha"-Schrein und Solar-Licht. Ein kleiner Wehrmutstropfen war, dass wir uns auf dünnen Matten auf dem Boden einrichten mussten. Und der Luftzug, welcher unter der Jurtenwand hereinzog, war eisig.

10. Tag (14.10.07): Von Bayanzag nach Dalanzadgad (190 km / 4 h)

An diesem Tag standen nur gerade vier Stunden Fahrt auf dem Programm. Wir fuhren deshalb erst um 10:00 los. Unsere Gastgeberin und ihre Tochter wollten ebenfalls nach "Dalanzadgad". Weil es in dieser Gegend absolut keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt, war es für diese zwei die beste Lösung mit uns mit zu fahren, obwohl wir einen ziemlichen Umweg vor uns hatten. Wir fuhren zum Nationalpark "Yolyn Am", welcher im "Gobi"-Gebirge "Gurvan Saikhan Nuuru" liegt. Dort befindet sich das bekannte "Ice Valley", das normalerweise eine meterdicke Eisschicht in der Talsohle aufweist. Wir waren allerdings noch etwas zu früh für die Eisschicht. Der zweistündige Fussmarsch durch dieses enge Tal war aber trotzdem sehr schön gewesen. Anschliessend fuhren wir dann in die ziemlich hässlich Stadt "Dalanzadgad". Das gute an diesem Ort war aber, dass es wieder ein Badehaus gab. Der Sonntag schien allerdings der von den Mongolen bevorzugte Douschtag zu sein, denn in dem Badehaus stand schon eine lange Mogolenschlange. Gross war dann unser Erstauen, als wir nach zehn Minuten nach vorne gewunken wurden. Offensichtlich hatte Nema mit dem Chef gesprochen, damit er nicht so lange auf uns warten musste. Tourist hinten oder vorne. Bei der Benutzungsdauer der Dousche wurde für uns allerdings keine Ausnahmeregelung gemacht. Nach zehn Minuten hämmerte die Aufpasserin an die Türe. Ich fühlte mich schon fast wie in meinem Elternhaus... ;-)

11. Tag (15.10.07): Von Dalanzadgad nach Tsagaan Suvarga (170 km / 5 h)

Um 10:00 ging die Fahrt am Montagmorgen wieder bei blauem Himmel weiter. Die Strecke durch die öde "Gobi"-Gegend war zwar nicht sonderlich abwechlungsreich, aber trotzdem irgendwie faszierend. Wir bekamen auch das erste Mal wilde Gazellen zu sehen. Die Mittagspause machten wir in der Nähe einer Kamelherde. Mit meinem Topf gekochten, weissen Bohnen setzte ich mich ein wenig abseits von den anderen auf einen Wasserkanister. Es dauerte nicht lange, bis ein paar neugierige Kamele sich nur gerade zwei bis drei Meter von mir entfernt aufstellten und gierig auf meinem Topf schauten. Weisse Bohnen mit Knoblauch auf der Zunge und Kamelfurze in der Nase brauche allerdings nicht so schnell wieder... ;-) Gegen 16:00 erreichten wir dann unserer nächstes Nachtlager. Zwei Jurten in der Mitte von Nirgendwo. Allerdings war kein Mongole weit und breit zu sehen. Wir fuhren deshalb direkt weiter zum "Tsagaan Suvarga", einer schönen, mehrfarbigen Sandsteinklippe. Als wir wieder bei den Jurten ankamen, war unterdessen ein kleines Mädchen und eine Frau aus dem Nichts erschienen. Dummerweise fanden sie aber die Schlüssel für die Vorhängeschlösser der Jurten nicht mehr. Nach ein paar Hammerschlägen war aber dieses Problem schnell gelöst. Bei einem wunderschönen Sonnenuntergang machte ich einen kleineren Spaziergang in der weiteren Umgebung der Jurten. In der Ferne sah ich plötzlich eine Herde Pferde in meine Richtung galoppieren. Ihr Ziel war eine Tränke ganz in der Nähe. Diese hatte allerdings kein Wasser, weil man dieses mit einem Kessel aus einem Wasserloch hätte heraufziehen müssen. Ich hatte an diesem Tag einen grosszügigen Tag und zog für die Pferde 20 Kessel Wasser hoch. Die Pferde bei ihren Kämpfen um die besten Tränkeplätze zu beobachten, war faszinierend. Beim letzten Licht war ich gerade von meinem Spaziergang bei den Jurten angekommen, als gleichzeitig ein alter Jeep und ein Motorrad bei unseren Jurten hielten. Drei Mongolen setzten sich ins Scheinwerferlicht des Jeeps. Wir trauten unseren Augen fast nicht, als einer der Männer sein Hosenbein hochzog, und eine riesige, frische Wunde am Schienbein zum Vorschein kam. Noch mehr staunten wir, als die Männer zuerst die Wade mit einem Stück Schnur abbanden und anschliessend staubige Erde auf die blutende Wunde streuten. Da hatte die Stunde von Rob geschlagen. Aus seinem 110-Liter-Rucksack zauberte er eine halbe Spitalapotheke und begann den Verletzten semi-fachgerecht zu verarzten. Was aus dem Verwundeten wurde, wissen wir nicht, denn die drei Männer waren am nächsten Morgen wieder verschwunden.

12. Tag (16.10.07): Von Tsagaan Suvarga nach Baga Garzin Chuluu (260 km / 5.5 h)

Uns wurde vor dem Antritt der Reise gesagt, dass die letzten zwei Tage nicht mer sehr interessant wären, weil es auf der Strecke nicht mehr viel zu sehen geben würde. Selbstverständlich wieder bei blauem Himmel brachen wir am Dienstagmorgen um 08:30 zu unser zweitletzten Etappe auf. Langweilig wurde uns auf der Fahrt nicht. Zuerst sahen wir in der Mitte von Nirgendwo eine alte Frau in traditionellen, mongolischen Kleidern, die auf eine Mitfahrtgelegenheit wartete. Leider konnten wir sie nicht mitnehmen, weil sie in eine andere Richtung wollte. Später sahen wir wieder wilde Gazellen und einen riesigen Adler. Das die Gegend ziemlich unwirtlich war, konnte man an den zahlreichen Tierskeletten, welche überall herumlagen, erkennen. Den ersten Halt machten wir dann bei einer buddhistischen Tempelanlage ("Zuutin Khiid") und einem zerfallenen Steinpalast ("Süm Khökh Burd"), welcher auf einer Insel in einem ausgetrockneten See gebaut worden war. Gegen 15:00 erreichten wir dann unser letztes Nachtlager in der Nähe der Granit-Felsformationen "Baga Garzin Chuluu". Nachdem wir uns etwas gekocht hatten, fuhr uns Nema durch die Felsformationen. Aussichtspunkt, Höhle, Quellen, etc. Der Höhepunkt war dann aber, dass wir wieder einen riesigen Adler sahen. Und er liess uns sogar ziemlich nahe heran. Die Nacht verbrachten wir wieder in einer schönen, geräumigen Jurte unserer Gastfamilie. Das Gemisch aus Kamel- und Schafscheisse produzierte beim Verbrennen eine dermassen grosse Hitze, dass ich das erste Mal auf dieser Tour im T-Shirt schlafen "musste".

13. Tag (17.10.07): Von Baga Garzin Chuluu nach Ulaanbaatar (290 km / 6 h)

Am Mittwochmorgen machten wir uns schon um 08:00 auf die letzte Etappe zurück nach "Ulaanbaatar". Abgesehen von 10'000 Schlaglöchern sahen wir auf dem Weg ein paar grosse Gazellenherden, viele Falken und einen kleinen, blauen See. Gegen 14:00 erreichten wir dann denn Agglomerationsrand von "Ulaanbaatar". Von der Ferne betrachtet ist diese Stadt mit seinen drei praktisch im Zentrum stehenden Kraftwerken extrem hässlich. Der Unterschied zwischen dem zwar unschönen, aber trotzdem ziemlich modernen "Ulaanbaatar" und der einfachen, ländlichen "Mongolei", welche wir in den vergangenen zwei Wochen zu Gesicht bekommen hatten, war ziemlich krass. Nema lud uns wieder beim "UB Guesthouse" ab. Mir hatte das Gasthaus allerdings nicht sonderlich gefallen, weshalb ich gleich nach Ankunft in "UB" ein paar andere, in der Nähe liegende Gasthäuser abklapperte. Leider war aber alles ausgebucht, weshalb ich mich wieder im "UB Guesthouse" einquartieren musste. Trotzdem waren eine heisse Dousche in einem normalen Badezimmer und frisch gewaschene Kleider schon eine ziemliche Wohltat.

Das waren 13 anstrengende Tage gewesen. Da waren zum einen die extrem schlechten Strassen. In der "Mongolei" gibt es eigentlich nur eine geteerte Strasse ("China" - "UB" - "Russland"), und diese lag nicht auf unserer Strecke. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 20 und 40 km/h klapperten wir in etwa 68 Stunden 2'700 km ab. Am letzten Tag erreichten wir einmal eine "Spitzengeschwindigkeit" von 60 km/h. (Wahrscheinlich nur 60, weil unsere russische Kiste gar nicht schneller hätte fahren können.) Zum anderen war aber auch das extrem einfache Leben in einer eisigen Umgebung nach fast zwei Jahren Tropenklima eine ziemlich Umstellung gewesen.

Entschädigt für die Anstrengungen wurde ich hingegen täglich. Was ich an verschiedenen Tagen gesehen habe, könnte ich schon als einzelne Highlights dieser Reise bezeichnen. Gesamthaft betrachtet war diese Tour aber ein grosses Super-Highlight meiner Weltreise gewesen. Einfach sensationell. Die öde, aber schöne Landschaft, die super-freundlichen Leute, der blaue Himmel, das Nomadenleben und die verschiedenen (Herden-)Tiere. Super, super, super... Ich kann's jedem nur empfehlen.

1 Kommentare:

froeglifix hat gesagt…

Die Duschen-Aufseherin in der Mongolei hatte anscheinend mehr Erfolg als die in Basel! ;-)